S3 Leitlinie Nierenzellkarzinom 2015

Kapitel 7: Systemtherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms

Autor: Redaktion|Veröffentlicht am 23. September 2016|Aktualisiert am 21. März 2024

Kapitel 7.7: Sequenztherapie

Sequenztherapie des klarzelligen Nierenzellkarzinoms

7.11 Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad BLevel of Evidence 1++Eine sequentielle therapie sollte nach versagen oder Unverträglichkeit einer vorangegangenen Therapie angestrebt werden. Eine spezifische Sequenz von Substanzen kann nicht empfohlen werden. Literatur: [324, 325, 338] Konsens

Hintergrund

Die Datenlage zur Sequenztherapie ist unzureichend. Zum Zeitpunkt der systemati-schen Recherche lagen die Daten zu RECORD-3, GOLD und SWITCH lediglich als wis-senschaftliche Präsentation vor. Daher konnte die Qualität der Studien zu diesem Zeitpunkt durch die Leitliniengruppe nicht abschließend beurteilt werden. Aufgrund der Relevanz der Sequenztherapie des Nierenzellkarzinoms werden dieser Studien trotzdem im Folgenden besprochen.

Sunitinib-Everolimus oder Everolimus-Sunitinib

RECORD-3 untersucht den Stellenwert der spezifischen Sequenz von Everolimus und Sunitinib in Erst- bzw. Zweitlinie [325]. Der primäre Endpunkt ist das PFS in der Erstlinie mit Nicht-Unterlegenheitsdesign. 238 Patienten erhielten Everolimus und 233 Sunitinib in der Erstlinie. Das Studienziel der Nichtunterlegenheit wurde nicht erreicht, das PFS betrug für Everolimus 7,9 Monaten und 10,7 Monaten für Sunitinib (HR 1,43 [CI 95 % 1,15-1,77]). Auch das objektivierbare Ansprechen war unter Everolimus mit 8 % Sunitinib mit 26,6 % unterlegen. Eine abschließende Überlebensanalyse liegt lediglich in Form einer Zwischenanalyse vor und favorisiert die Sequenz Sunitinib gefolgt von Everolimus (32,0 vs. 22,4 Monate; HR 1,24 [CI 95 % 0,94-1,64]).

Inzidenzen von unerwünschten Ereignissen variieren zwischen den Substanzen und Therapielinien. Dosisreduktionen für Everolimus in der Erst- oder Zweitlinie wurden in 30 % bzw. 19 % notwendig, wohingegen unter Sunitinib 51 % und 37 % entsprechende Adaptionen benötigten.

Sorafenib-Sunitinib oder Sunitinib-Sorafenib

Die SWITCH1-Studie untersucht den Einsatz von Sorafenib und Sunitinib in der Erst- und Zweitlinientherapie [338]. 182 Patienten wurden zufällig für Sorafenib (SO-SU) und 183 für Sunitinib (SU-SO) in der Erstlinie randomisiert. Davon erhielten 103 bzw. 76 Pa-tienten eine Zweitlinie innerhalb der Studie mit dem jeweils anderen Präparat. Der pri-märe Endpunkt der Studie war eine Überlegenheit für das kumulative PFS für die Sequenz SO-SU, die mit 12,5 und 14,9 Monaten der beiden Arme keine Überlegenheit für SO-SU zeigen konnte (HR 1,01 [CI 95 % < 1,27]; p=0,54). Das objektivierbare Ansprechen war in der Erstlinie mit 31 % für Sorafenib und 29 % für Sunitinib ähnlich. Das OS war mit 31,5 (SO-SU) und 30,2 (SU-SO) Monaten nicht überlegen (p=0,49).
Dosisreduktionen wurden unter Sorafenib in 35,7 % und unter Sunitinib in 35,5 % in der Erstlinie notwendig. In der Zweitlinie war für Sorafenib eine Dosisreduktion in 46,1 % und für Sunitinib in 23,3 % notwendig.

Drittlinie mit Dovitinib oder Sorafenib

Die GOLD-Studie vergleicht den Einsatz des experimentellen Inhibitors Dovitinib mit Sorafenib nach Versagen eines TKI und eines mTOR-Inhibitors [324]. 92 % erhielten die Sequenz eines TKI gefolgt von einem mTOR-Inhibitor. 284 Patienten erhielten Dovitinib und 286 Sorafenib in der Drittlinie. Der primäre Endpunkt der Studie wurde nicht erreicht (33 % Verbesserung des PFS). Dovitinib und Sorafenib erzielten ein PFS von 3,7 bzw. 3,6 Monaten (HR 0,86 [CI 95 % 0,72-1,04]; p=0,063). Auch das OS fiel mit 11,1 und 11,0 Monaten ähnlich aus (HR 0,96 [CI 95 % 0,75-1,22]). Verglichen mit dem historischen PFS für Patienten aus der Placebo-Kontrolle prospektiver Studien ergibt sich mit den Effektivitätsdaten der GOLD-Studie eine Verbesserung des PFS. Diese Daten legen damit die Therapiefortsetzung in der Drittlinie nahe.

Je nach Studie findet sich eine gewisse Varianz im PFS der mit Placebo behandelten Patienten wieder. So betrug in der VEGF105192-Studie das PFS der mit Placebo behandelten Patienten 2,8 Monate (unvorbehandelt) bzw. 4,2 Monate nach Zytokinversagen, wohingegen die Target-Studie nach Zytokinversagen ein PFS von 2,8 Monaten aufwies [321, 322]. Da die heutige Patientenpopulation vorwiegend mit TKI vorbehandelt ist, bildet die Placebo-Gruppe der RECORD-1-Studie das aktuelle klinische Szenario besser ab. In der Studie betrug das PFS nach Versagen von mindestens einem TKI lediglich 1,9 Monate und unterstreicht damit die Aggressivität der Erkrankung nach TKI-Versagen [323]. Basierend auf diesen Effektivitätsdaten, halten wir die Fortführung der Therapie in der dritten Linie für gerechtfertigt.