Autor: |Veröffentlicht am 04. Oktober 2019|Aktualisiert am 21. März 2024

Kongressnachlese 2019: Frischer Wind auf 71. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie

Hamburg, 04.10.2019. „In der Hamburg Messe wird ein frischer Wind für die DGU wehen“, versprach DGU- und Kongresspräsident Prof. Dr. Oliver W. Hakenberg im Vorfeld der 71. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU), und er sollte sein Wort halten. Das vermeintliche Ausweichquartier stand dem Congress Center Hamburg in nichts nach. Vielmehr überzeugte die Hamburg Messe mit enorm viel Platz und gutem Klima wie zahlreiche positive O-Töne der Teilnehmer zeigten, und der Kongress demonstrierte in der Tat, dass die DGU im Aufwind unterwegs ist.

Das vom Kongresspräsidenten gewählte Motto „Mensch, Maschine, Medizin, Wirtschaft“ wurde in vielen Veranstaltungen rund um zunehmende Ökonomisierung, Bürokratisierung und Technologisierung, um Fremdbestimmung des Arztberufs, Arbeitsverdichtung und Personalmangel diskutiert und hatte, gemeinsam mit dem wissenschaftliche Programm, offenbar ins Schwarze getroffen: Unter dem Strich besuchten nahezu 7000 Teilnehmer den 71. DGU-Kongress vom 18. bis 21. September 2019 in der Hansestadt Hamburg. Darunter waren viele Besucher aus der Schweiz, Österreich, Polen, Ungarn, Tschechien, mehreren anderen osteuropäischen Ländern, aus Italien, Frankreich und auch aus Großbritannien.

Bereits der Kongress-Mittwoch erwies sich mit hochkarätigen Foren, einschließlich des ersten von vier Semi-Live-Foren zu innovativen operativen Techniken, als vollwertiger Kongresstag. Am frühen Abend schließlich wurde das Hamburger Patientenforum aufgezeichnet: DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing moderierte die Talkrunde mit Experten der Fachgesellschaft über Blasenschwäche, die HPV-Impfung sowie Prostatakrebs und hatte mit den Handball-Legenden Michael und Uli Roth zwei bekannte Botschafter der Prostatakrebs-Früherkennung und die Gesichter der FFF-Aufklärungskampage zu Gast. Online ist die Veranstaltung, die vom Vorsitzenden der PatientenAkademie Prof. Dr. Dr. Johannes Huber organisiert wurde, nun jederzeit für die interessierte Öffentlichkeit auf dem Urologenportal zu verfolgen.

Hochbetrieb ist das Stichwort für den Donnerstag, an dem selbst die overflow-areas an ihre Grenzen stießen und die offizielle Kongress-Eröffnung vor vollbesetztem Plenum stattfand. Der Generalsekretär und Sprecher des DGU-Vorstands Prof. Dr. Maurice Stephan Michel nahm das Auditorium mit in die Zukunftsoffensive Urologie 2025 und stellte aus vielen Kernbereichen der Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Urologie Neues vor: im Bereich Forschung etwa die Ernst von Fürstenheim-Förderung für Versorgungsforschung und die neue DGU-Reinhard-Nagel-Förderung für Forschungsanträge. Bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung legte Prof. Michel den Urologinnen und Urologen die neue Online-Ausbildungsplattform Uro-Tube ans Herz, er sprach sich für ein Rotationsprinzip in der urologischen Weiterbildung aus, das die DGU mit einem Curriculum unterstützen wird und appellierte an die Mitglieder, die Öffnung der Fachgesellschaft für die urologischen Pflege- und Assistenzberufe mitzutragen. Bei der Weiterentwicklung der Urologie müsse man künftig nicht nur die Breite des Faches abdecken, sondern auch in die Tiefe gehen. „Dass jeder alles macht und alles in der Tiefe vertreten will, geht nicht“, so die deutlichen Worte des Generalsekretärs, der alle Mitglieder einlud, das neue Berliner Haus der Urologie und das dort beheimatete Museum zu besuchen und sich in Verantwortung für das Fach einzubringen.

Last but not least gaben Prof. Michel und Prof. Wülfing grünes Licht für die Premiere des DGU-Image-Films „Die Vielfalt wartet. Worauf wartest Du?“, der angesichts von 20 Prozent Versorgungszuwachs in den sozialen Medien, Hörsälen, Wartezimmern und Homepages von Praxen und Kliniken vor allem bei Medizinstudierenden Lust auf die Urologie wecken soll. Und tatsächlich gibt es jede Menge Rückenwind für die bewegte Nachwuchswerbung: Zur besonderen Freude des DGU-Generalsekretärs, der den Film auf den Weg gebracht und gemeinsam mit DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing umgesetzt hatte, zählte das Video bei You Tube schon wenige Tage nach dem Kongress mehrere Tausend Klicks.

Kongresspräsident Prof. Dr. Oliver W. Hakenberg schlug in seiner Eröffnungsrede eine Brücke von seinem Kongressmotiv „The Fighting Temeraire“ von William Turner, welches das Ende der Ära der Segelschiffe versinnbildlicht, hin zur Medizin, die sich ebenfalls in einem Zeitenwechsel befände. Ökonomischer Druck, Arbeitsverdichtung, überbordende  Bürokratie und Eskalation der Dokumentation sorgten dafür, dass der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt stehe, Ärzte drohten marginalisiert zu werden. Auch der Personalmangel werde sich weiter verschärfen, warnte der Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsmedizin Rostock. „Arbeitszeitverdichtung bei gesetzlich vorgeschriebener Work-Life-Balance machen den Arzt im Krankenhaus früher oder später zu einem Schichtarbeiter mit Stechuhr.“ Die Digitalisierung berge viele Risiken, mache Kliniken angreifbar und diene überwiegend der Verwaltung und den Kassen und damit der Kontrolle ärztlichen Handels. Bei nützlicher IT wie dem elektronischen Rezept seien, nach Prof. Hakenbergs Worten, andere Länder weiter. Auch in der künstliche Intelligenz lägen enorme Risiken und Chancen, die Ärzte erkennen müssten, damit nicht andere die Entscheidungen träfen. In der Urologie sei vor allem die roboterassistierte Chirurgie ein positives Beispiel für aktuellen technischen Fortschritt. „Gerade damit unser Beruf und unsere Bedürfnisse nicht weiter marginalisert werden, müssen wir diese Entwicklungen aktiv gestalten“, schloss der Kongresspräsident. Dafür sei die Deutsche Gesellschaft für Urologie heute gut aufgestellt.

Mit Professor Dr. Rainer Sauerborn, Ph. D., erhielt auch ein Klimaforscher und Mitglied des Weltklimarates IPCC das Wort im Plenum. Der frühere Leiter des Instituts für Public Health am Universitätsklinikum Heidelberg warnte eindringlich vor den Folgen der Erderwärmung, deren negativer Einfluss auf die Gesundheit der Menschen zunehmend in den Fokus gerät. In der Urologie seien als erstes die Nieren betroffen, auch häufigere Steinbildung und Nierentransplantationen stünden zu befürchten. „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“, so Prof. Sauerborn. Damit sei die Gesundheit ein großer Motivator, etwas für das Klima zu tun. Gleichzeitig verursache der Gesundheitssektor in Deutschland Schätzungen zufolge aber fünf bis acht Prozent des CO2-Ausstoßes. Die Zeit für Veränderungen sei knapp. 2050 schließe sich das Fenster zur Weichenstellung endgültig. Der Kinderarzt und Klimaforscher beendete seinen Vortrag mit einem Zitat von Barack Obama: „Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt und die letzte, die etwas dagegen tun kann.“ Tags drauf sollten 70 000 Teilnehmer einer Demonstration der „Fridays for Future“-Bewegung ihren Willen zur Veränderung eindrucksvoll auf den Straßen der Hansestadt bekunden. Näher am Puls der Zeit kann ein DGU-Kongress nicht sein.

Vor dem Hintergrund der anstehenden Neuregelung der Organspende votierte Past-President Prof. Dr. Paolo Fornara auf der DGU-Pressekonferenz eindringlich für die Einführung der doppelten Widerspruchslösung. DGU- und Kongresspräsident Prof. Dr. Oliver W. Hakenberg gab vor der Presse ein klares Votum für die Einführung einer Prostatakrebs-Früherkennung mittels PSA-Bestimmung durch die Gesetzliche Krankenversicherung ab und stellte die neue „S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Peniskarzinoms“ vor, dank derer die Fachgesellschaft nun für alle urologischen Tumorentitäten eine Leitlinie der höchsten Klassifikation vorhält. Von wegen nur alte Männer und Urin: In Anbetracht von Ärztemangel und Versorgungszuwachs in der Urologie fuhr der DGU-Generalsekretär selbstverständlich auch auf der Pressekonferenz den neuen Imagefilm ab, der in der Fachpresse wohlwollend kommentiert wurde. DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Wülfing übergab den Medienpreis Urologie 2019 an Ben Bode für die Web-Reportage „Hodenkrebs – Gefahr für junge Männer!“ vom Westdeutschen Rundfunk, Redaktion „reporter”, die  – Achtung –  im Netz schon über 300 000 Mal angesehen wurde. Damit zeichnete die Jury ein Thema für eine junge Zielgruppe und einen jungen Medienkanal aus.

Stark blies der Wind der Veränderung vor allem in der DGU-Mitgliederversammlung, auf der sich die Deutsche Gesellschaft für Urologie für das urologische Pflege- und Assistenzpersonal öffnete und damit Vorreiter unter den medizinischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist. Die Mitglieder beschlossenen mit überwältigender Mehrheit eine Satzungsänderung, die Nicht-Ärzten eine außerordentliche Mitgliedschaft erlaubt. Apropos urologische Pflege- und Assistenzberufe: Das Pflege-Programm des Kongresses besuchten rund 900 Teilnehmer. 

Ganz weit oben auf der Beaufortskala rangiert auch die Wahl von Prof. Dr. Margit Fisch zur 2. Vizepräsidentin der DGU bei der turnusgemäßen Vorstandswahl im Rahmen der Mitgliederversammlung. Damit wird die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Urologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf satzungsgemäß in der Amtsperiode 2021/2022 als erste Frau in der über 100-jährigen Geschichte der Fachgesellschaft das Präsidentenamt der Deutschen Gesellschaft für Urologie übernehmen.

DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, Mannheim, wurde für eine weitere dreijährige Amtszeit gewählt. In seiner ersten Amtsperiode konnte der Direktor der Universitätsklinik für Urologie und Urochirurgie, Universitätsmedizin Mannheim, Universität Heidelberg gegen den Trend in anderen Verbänden einen Anstieg von über 1000 Neumitgliedern auf aktuell über 6.500 Mitglieder verzeichnen; er hatte die DGU-Mitglieder-App ins Leben gerufen und zum 71. DGU-Kongress weitere vier Positionspapiere initiiert, die eine der Leitstrukturen für die Entwicklung des Faches Urologie darstellen.

Für eine weitere Amtszeit im DGU-Vorstand wiedergewählt wurden ebenfalls Prof. Dr. Marc-Oliver Grimm, Jena, Vorstandsressort Fort- und Weiterbildung; Prof. Dr. Max Burger, Regensburg, Vorstandsressort Forschungsförderung, sowie Dr. Thomas Speck, Berlin, als niedergelassenes Vorstandsmitglied.

„Werde Urologin/Werde Urologe für einen Tag“: Das galt auch auf dem diesjährigen DGU-Kongress, und wie üblich waren der Schüler- und ebenso der Studententag ausgebucht. Das Feedback war rundum positiv, und wenig überraschend dominierten junge Mädchen das Bild beim Schülertag.

Ebenfalls am Kongress-Freitag konnten wir in einer Presseinformation mitteilen, dass die Deutsche Gesellschaft für Urologie und der Verein der Deutschen Uro-Onkologen (d-uo e.V.) auf der 71. Jahrestagung in Hamburg eine Rahmenvereinbarung zur Stärkung der urologischen Versorgungsforschung unterzeichnet haben und damit die strukturierte Erhebung und Verwertung urologischer Versorgungsdaten für Forschungszwecke ermöglichen.

Höchste Auszeichnungen der Deutschen Gesellschaft für Urologie standen am Freitagabend auf dem Kongress-Programm: Prof. Dr. Kurt Miller, Berlin, wurde mit der Maximilian Nitze-Medaille für besondere Verdienste für das Fach Urologie geehrt; Prof. Dr. Manfred Wirth, Dresden, wurde mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet. Prof. Dr. Klaus-Peter Dieckmann, Hamburg, erhielt mit dem Maximilian Nitze-Preis die Auszeichnung für den wichtigsten wissenschaftlichen Beitrag des diesjährigen Kongresses für seine Arbeiten zu neuen Markern beim Hodentumor.

On top gab es für alle Preisträger 2019 übrigens erstmalig die neue DGU-Krawatte respektive das DGU-Halstuch. Beide gehören zum frisch aufgefüllten Sortiment der Werbeartikel der Fachgesellschaft, das auf dem großzügig gestalteten DGU-Stand in der zentral gelegenen Industrieausstellung angeboten wurde. In der historischen Ausstellung präsentierten PD Dr. Friedrich Moll und Kollegen ihre neue Broschüre, die passend zum Kongressort Hamburg unter dem Titel „Große Freiheit“ einen Blick auf den seit dem Zeitalter der Industrialisierung schwierigen Umgang mit sexuell übertragbaren Erkrankungen wirft.

Der Blick in das Programm des 71. DGU-Kongresses war ein neuer: In Hamburg überraschte die Fachgesellschaft mit einzeln herausnehmbaren schlanken und im wahrsten Wortsinn tragbaren Tages-Programmen. Die weiterentwickelte Kongress-App leistete technisch einwandfrei ihre digitalen Dienste, und der Ablauf der mehr als 150 Einzelveranstaltungen in der Hamburg Messe unter der Regie von Interplan und den wachsamen Augen der allgegenwärtigen Tanja Langmesser lief gewohnt reibungslos.

Den Höhepunkt des programmstarken Samstags bildete zweifellos das Abschlussplenum mit seinen aktuellen Take-Home-Messages zum Prostatakarzinom, aus der Andrologie, der Tumortherapie und aus der roboterassistierten Chirurgie. Schließlich war für Prof. Hakenberg der Moment der traditionellen Präsidentschaftsübergabe gekommen, in dem er die Amtskette an Prof. Dr. Dr. h.c. Jens Rassweiler weiter gab. Der Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie, SLK-Kliniken Heilbronn, gratulierte dem scheidenden DGU-Präsidenten zu einem „Wahnsinns-Kongress mit vollen, fast zu vollen Sälen“ in der Hamburg Messe, wo tatsächlich ein frischer Wind ging und die DGU mit wegweisenden Entscheidungen demonstrierte, dass sie gut aufgestellt ist, um auch stürmische Winde im Gesundheitswesen zu meistern.

In seiner Funktion als neuer DGU- und Kongresspräsident lud Prof. Rassweiler zur 72. Jahrestagung der Fachgesellschaft vom 23. bis 26. September 2020 im Congress Center Leipzig ein.

Text: Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V.

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