Autor: |Veröffentlicht am 11. Oktober 2016|Aktualisiert am 21. März 2024

Nachlese 2016: 68. DGU-Kongress meistert Qualitätsoffensive

Qualitätsindikatoren werden im deutschen Gesundheitswesen bekanntlich händeringend gesucht. Für die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) gelten eigene: Volle Säle, zufriedene Urologinnen und Urologen sowie eine gute Presse. Erfüllt hat der 68. Kongress der Fachgesellschaft sie alle, denn DGU-Präsident Prof. Dr. Kurt Miller hatte nicht nur das Motto seines Kongresses dem Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Qualität in der Medizin gewidmet - er hat auch Qualität geliefert. Rund 6300 Besucher konnten sich vom 28. September bis 1. Oktober 2016 im bekannt modernen Ambiente des Congress Centers Leipzig (CCL) davon überzeugen.

Die Leipziger Qualitätsoffensive „made“ beim Berliner Kongress-Team startete bereits mit einem generalüberholten Kongress-Mittwoch, der sich durch ein hochkarätiges Programm einschließlich vieler relevanter Foren und vor allem durch die ersten Live-Operationen auf einem DGU-Kongress auszeichnete. Möglich wurde der „Surgery Day“ dank des besonderen Einsatzes des Direktors der Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums Leipzig, Prof. Dr. Jens-Uwe Stolzenburg, der unter den Augen der im CCL versammelten Fachöffentlichkeit eine roboter-assistierte Nierenteilresektion durchführte. Andere renommierte Operateure reisten mit ihren Teams in Sachsens größter Stadt an, um live aus dem Klinikum Leipzig vor Ort im CCL innovative Op-Techniken zu demonstrieren – eine Neuheit, die bei den Kongressteilnehmern außerordentlich gut ankam.

Dass sich für einige Besucher und Referenten die Anreise aufgrund eines Polizeieinsatzes wegen einer Bombendrohung am nahegelegenen Bahnhof Leipzig Messe außergewöhnlich schwierig gestaltete, bleibt unruhigen Zeiten geschuldet. Der Kongressfahrplan mit seinem mehr als 160 Sitzungen starken wissenschaftlichen Programm jedenfalls lief alsbald wieder rund, und Kongressfotograf Bertram Solcher hatte bereits am Mittwoch viel zu dokumentieren und am Ende des Tages 14 Kilometer auf seinem Schrittzähler. Ungezwungene Entspannung war schließlich am Eröffnungsabend in den urigen Gemäuern der Moritzbastei, dem einzigen erhaltenen Teil der Stadtbefestigung von Leipzig, angesagt.

„Eine Überdosis Ökonomie“ diagnostizierte Kongress-Präsident Prof. Kurt Miller im gegenwärtigen Gesundheitssystem und appellierte im Eröffnungsplenum angesichts falscher Anreize durch das DRG-System an die Politik den ökonomischen Druck zu entschärfen. In klaren Worten forderte der Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik Charité, Universitätsmedizin Berlin, definierte Personalsressourcen ein, aber auch den Mut, im Sinne des Patienten das Richtige zu tun - was durchaus weniger bedeuten könne. Feierliche Dankesworte fand DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Oliver Hakenberg anlässlich der Verleihung des Felix Martin Oberländer-Preises an Prof. Dr. Maurice-Stephan Michel für dessen Verdienste um den Aufbau der Akademie der Deutschen Urologen, bevor er in Ermangelung von Anne Will die Leitung einer illustren Talkrunde zum Thema Ökonomie und Qualität in der Medizin übernahm. Auch dieses Format hatte es in einem Eröffnungsplenum eines DGU-Kongresses bisher nicht gegeben. Dass die Herren Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Prof. Dr. h.c. Herbert Rebscher, Vorsitzender des Vorstandes der DAK-Gesundheit, der ehemalige Gesundheitsweise Professor Matthias Schrappe und Prof. Dr. Björn Volkmer aus dem DGU-Arbeitskreis Versorgungsforschung, Qualität und Ökonomie vor vollem Saal kontroverse Meinungen vertraten, war wenig überraschend.

Nach dem offiziellen Auftakt nahm Deutschlands, wie üblich hoch professionell von Veranstalter Interplan organisierte, wichtigste Wissenschafts-  und Fortbildungs-Plattform volle Fahrt auf. Insgesamt 1316 Vortragende referierten auf der weltweit drittgrößten urologischen Fachtagung, auf der erstmals auch sogenannte Overflows zum Einsatz kamen, die sich als Übertragungsbereiche für überfüllte Säle entpuppten. Wer aufgrund von Überschneidungen ein wichtiges Forum verpasst hatte, konnte zudem in der „Virtual Meeting Area“ in Halle 2 Aufzeichnungen des Versäumten nutzen. Dieser Service ist übrigens von dauerhafter Natur und unter „neudeutsch“ dgu on demand auf der Kongress-Homepage zu finden.

Traditionell wurde auch die 68. Jahrestagung der Fachgesellschaft von einer umfangreichen Industrieausstellung begleitet, auf der sich die DGU mit einem großen Stand sowie einer neuen Info-Wand präsentierte und die historische Ausstellung vor dem Hintergrund ihrer 110-jährigen Geschichte den Nobelpreiskandidaten sowie Nobelpreisträgern für Medizin oder Physiologie aus dem Fachgebiet der Urologie widmete. Der angeschlossene Pflegekongress stieß mit mehr als 800 Besuchern wieder auf großes Interesse.

DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing, der unter Einsatz eines Rollers die Weiten des CCL zeitnah bezwang, begrüßte die zahlreich erschienen Journalisten ebenfalls am Kongress-Donnerstag pünktlich zur DGU-Eröffnungs-Pressekonferenz. Dort sprach sich die DGU erneut für einen leitlinienkonformen Einsatz des PSA-Testes auf der Grundlage einer informierten Patientenentscheidung zur Früherkennung von Prostatakrebs aus. Aufgrund der neuen Datenlage bedürfe es vor allem in der Öffentlichkeit einer Revision des Negativ-Images des Testes, sagte DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Oliver Hakenberg. Eine hohe Gesamtzufriedenheit und kontinuierlich steigende Nutzerzahlen attestierte PD Dr. Dr. Johannes Huber aus der Leitungsgruppe der PatientenAkademie der Deutschen Urologen der neuen internetbasierten „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“. Über die Etablierung der robotor-assistierten Nierenlebendtransplantation und den endgültigen Entwurf einer Lebendspenderichtlinie berichtete der 2. Vizepräsident der DGU, Prof. Dr. med. Paolo Fornara. Letztere werde eine eklatante Lücke schließen, da Deutschland europaweit das einzige Land sei, das bisher über keine Richtlinie bei der Lebendspende verfüge. Die meisten lokalen aber auch bundesweiten Schlagzeilen generierte im Nachhinein der PSA-Test. Insgesamt freut sich die Pressestelle über eine sehr erfolgreiche Berichterstattung rund um den 68. DGU-Kongress, die dank insgesamt 130 auf dem Kongress akkreditierter Journalisten in der Fachpresse noch längst nicht abgeschlossen ist. Mit dem Medienpreis Urologie 2016 zeichnete die DGU vor Ort die Wissenschaftsjournalistin Franziska Lehnert aus Boppard für ihren Artikel „Observieren oder operieren“ im FOCUS Magazin aus.

Polizeiliche Maßnahmen rund um Jena mit entsprechenden Umleitungen und Staus hinderten übrigens einige Kollegen und Kolleginnen an der Teilnahme an der Pressekonferenz. Dass am Donnerstag im Leipziger Zoo überdies auch noch die Löwen los waren, blieb glücklicherweise ohne Auswirkungen auf das Kongressgeschehen, das seinen „Hauptkampftag“ mit der DGU-Mitgliederversammlung schloss. Von dort gab es aufgrund turnusgemäßer Neu-Wahlen wichtige Personalien zu vermelden: Als 2. Vizepräsident wurde Prof. Dr. Oliver Hakenberg gewählt. Seine Nachfolge im Amt des DGU-Generalsekretärs tritt Prof. Dr. Maurice-Stephan Michel an. Schatzmeister PD Dr. Jan Lehmann wurde in seinem Amt für weitere zwei Jahre bestätigt, ebenso wie Prof. Dr. Jan Roigas im Vorstandsressort Wissenschaft und Praxis. Die Nachfolge von Prof. Dr. Axel Haferkamp im Vorstandsressort Fort- und Weiterbildung tritt Prof. Dr. Marc-Oliver Grimm an. Aufgrund einer Änderung der DGU-Satzung wurde der Vorstand um ein Mitglied aus dem Kreise der niedergelassenen Urologen erweitert und Dr. Thomas Speck aus Berlin in das Gremium gewählt.

Mit einem vollem Plenarsaal zu Paradigmenshifts in der Onkologie startete der Kongress-Freitag. Gespickt war das zweite Kongress-Plenum mit der Vergabe höchster Ehren: Kongresspräsident Prof. Miller verlieh die Maximilian Nitze-Medaille an Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan C. Müller und zeichnete Dr. Tilman Todenhöfer mit dem Maximilian Nitze-Preis aus. Engagierte Diskussionen prägten das Berufspoltische Forum von DGU und BvDU, das mit dem Antikorruptionsgesetz ein Thema aufgriff, das die Ärzteschaft derzeit wie kaum ein anderes bewegt. Die Präsentation der S3-Leitlinie zum Harnblasenkrebs setzte einen weiteren Höhepunkt des Kongresses, auf dem überdies die druckfrische Patientenleitlinie zum Nierenzellkrebs vorgestellt und mit dem „Praxistrack“ ein neues Format mit Sitzungen ausgesuchter Themen von Niedergelassenen für Niedergelassene eingeführt wurde. Gleichzeitig bestritt das GeSRU-Team am Freitag erneut einen erfolgreichen Schülertag, auf dem 100 Oberstufenschülerinnen  und -schüler die Welt der Urologie kennenlernen durften. Auch die Journalisten kamen noch einmal zum Zuge und hatten im Pressegespräch mit Prof. Wülfing Gelegenheit zur Hintergrundrecherche.

Keine Frage, dass auf dem DGU-Abend im Leipziger Kohlrabizirkus nach einem Exkurs von Dr. Eckart von Hirschhausen in die Welt des Humors und zwei erlesenen Ehrungen wieder heftig gefeiert, und diesmal nachweislich ein Paar Damenschuhe durchgetanzt, wurde. Geehrt wurden Prof. Dr. Bernd Wullich mit dem Ritter von Frisch-Preis sowie Prof. Dr. Oliver Hakenberg mit dem Preis des Präsidenten. Ein musikalischer Dank von Uroband-Urgestein Prof. Dr. Jens Rassweiler galt dem Kongresspräsidenten selbst und offenbarte mithilfe einiger Videoeinspieler unvermutet kabarettistische Qualitäten des jungen Kurt Miller.

Den letzten Teil seiner Qualitätsoffensive meisterte Prof. Miller mit einem im O-Ton „entkernten Samstag“, als ein weitgehend konkurrenzloses, zweigeteiltes Abschlussplenum den Saal füllte und den Besuchern aktuelle Botschaften aus allen Kerngebieten der Urologie auf den Weg gab. Derweil informierten sich rund 80 Besucher auf dem Patientenforum im CCL über Harninkontinenz, die Entscheidungshilfe Prostatakrebs und über die Prävention urologischer Erkrankungen. 

Gewohnt souverän und schnörkellos blickte der Kongresspräsident bei der Amtsübergabe an den bisherigen 1. Vize-Präsidenten Prof. Dr. Tilmann Kälble schließlich auf „eine runde Sache“ zurück. Soviel Understatement blieb selbstverständlich nicht unwidersprochen. Vielmehr attestierte der neue Präsident dem scheidenden Amtsträger bei aller Lockerheit und Coolness intensive Detailarbeit und Kreativität, die große Fußspuren hinterlasse. Apropos Spuren: Ebendiese setzte die 68. DGU-Jahrestagung schlussendlich auch in den sozialen Netzwerken, denn nach zähem Gezwitscher im Vorfeld waren Urologinnen und Urologen auf und nach dem Kongress auf Twitter und Co. aktiv wie nie – und bewiesen ihrem Berliner DGU-Präsidenten mit weit über 1000 Tweets, dass sie offenbar doch reif für die Neuen Medien sind!

Neue Ziele hat Prof. Dr. Tilman Kälble bereits gesteckt: Der amtierende DGU-Präsident und Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Klinikum Fulda will in der Amtsperiode 2016/2017 die Urologie als Marke etablieren und lädt unter dem Motto „Urologie: Für alle. Für jeden. Für uns.“ zur 69. Jahrestagung der Fachgesellschaft vom 20. bis 23. September 2017 nach Dresden ein.  

Fotos: Bertram Solcher, Bettina Wahlers

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