Autor: Redaktion|Veröffentlicht am 24. August 2009|Aktualisiert am 21. März 2024

„Der verkaufte Patient“: Heißes Eisen auf dem 61. Urologen-Kongress

Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. initiiert öffentlichen Diskurs um Kopfprämien

Dresden, 24.08.2009. Sie steht noch nicht im Visier der Öffentlichkeit, doch sie ist längst Realität: die sogenannte Kopfprämie oder Zuweiserpauschale. Im Klartext handelt es sich um bezahlte Leistungen nach GOÄ, die das 10 bis 20-Fache dessen ausmachen, was ein Urologe ansonsten pro Quartal für die Behandlung eines Patienten vergütet erhält. Diese Bezahlung erfolgt im Rahmen der Einweisung durch Kliniken an niedergelassene, zuweisende Ärzte. Daraus resultiert eine ethische und juristische Grauzone. Diese Praxis nimmt die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) auf ihrer 61. Jahrestagung vom 16. bis 19. September in Dresden zum Anlass, um mit dem Forum „Der gekaufte/verkaufte Patient“ eine öffentliche Diskussion anzustoßen.

„Persönlich halte ich die von verschiedenen Arztgruppen, auch von Urologen, praktizierte Einweisungsvergütung für hochproblematisch. Die DGU-Programmkommission sorgt mit der Aufnahme der Thematik in das diesjährige Kongress-Programm dafür, dass unsere medizinische Fachgesellschaft als eine der ersten die augenscheinlich kritischen Fragen offen diskutiert und damit den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über die Folgen des zunehmenden Wettbewerbs im Gesundheitssystem offensiv anregt“, sagt der amtierende DGU-Präsident Professor Dr. med. Dr. h. c. Manfred Wirth, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden.

Die Situation: Vergangene Reformen haben eine wirtschaftliche und wettbewerbliche Ausrichtung in das Gesundheitssystem getragen. Vor allem in Ballungsräumen, wo die Konkurrenz unter den Kliniken besonders groß ist, versuchen diese nun zunehmend, ihre Wirtschaftlichkeit durch hohe Fallzahlen zu sichern, indem sie den regelmäßig zuweisenden Ärzten für Patienten, die mit bestimmten Diagnosen für eine stationäre Behandlung überwiesen werden, eine Vergütung leisten. Ob die Zuweiser die Prämie fordern oder annehmen – es bleibt ein juristisch und ethisch überaus fragwürdiges Procedere. Die Ärztliche Berufsordnung (MBO) ist eindeutig. So enthält der Paragraph 31 das explizite Verbot der „unerlaubten Zuweisung von Patienten gegen Entgelt“.

„Konstruierte Kooperationsverträge zwischen Niedergelassenen und Kliniken über vor oder nach dem Klinikaufenthalt erbrachte Leistungen des Zuweisers dienen der Rechtfertigung der Einweisungsvergütung, bleiben aber letztlich die Suche nach juristischen Schlupflöchern“, urteilt der Fürther Urologe Professor Dr. Lothar Weißbach. „Denn es bleibt fraglich, ob diese Leistungen erbracht werden, angemessen oder notwendig sind.“ Zumindest wurden die erbrachten Dokumentationen bisher nicht ausgewertet. Entsprechende Gerichtsurteile bestätigen diese Einschätzung.

Kontakt:

DGU/BvDU-Pressestelle
Bettina-Cathrin Wahlers &
Sabine M. Glimm
Tel.: 040 - 79 14 05 60
Mobil: 0170 - 4 82 72 87
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Zu den ältesten dokumentierten chirurgischen Eingriffen, die heute ins urologische Spektrum fallen, zählt die Beschneidung oder Zirkumzision. Gegen Blasenentzündungen, unter denen besonders Frauen häufig litten, wurde über Jahrhunderte mit dem Aderlass chirurgisch vorgegangen. Das frühe Wissen über die entzündungshemmende Wirkung mancher Pflanzen wie Bärentraubenblätter oder Goldrute unterstützte die Therapie medikamentös. Hinzu kamen verordnete Diäten. Dieser Ansatz wurde erst im 20. Jahrhundert durch die Entwicklung der Antibiotika abgelöst.

Die derzeitige Praxis hat Folgen: für die Wahrung der Unabhängigkeit ärztlichen Handelns; für das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, sein Recht auf freie Arztwahl und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, der sich, wenn ihm die finanzielle Kooperation seines Arztes mit einer Klinik verschwiegen wird, „verkauft“ fühlt. Konsequenzen entstehen auch für das System, denn über diese Art Kopfprämien, die aus dem Entgelt für die stationäre Leistung bestritten werden, fließt Geld aus dem stationären Bereich in den ambulanten Bereich und es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die Fallpauschalen insgesamt zu hoch sind.  In der Konsequenz droht eine Kürzung derselben. Nicht zuletzt kann die gezielte Lenkung von Patientenströmen zu einer Aushebelung der Behandlungsqualität als Steuermechanismus führen, was gegebenenfalls wiederum zum Schaden der Patienten ist.

Unmoralisch, unlauter, korrupt oder regulärer Wettbewerb um Patienten? Ist die Situation in der Urologie nur die Spitze des Eisbergs? Mit dem Forum „Der gekaufte/verkaufte Patient“ eröffnet die DGU auf ihrer 61. Jahrestagung eine überfällige Diskussion und verleiht ihren Forderungen nach Engagement der Standesorganisationen und nach Transparenz Ausdruck. Die Fachgesellschaft selbst hat sich in der aktuellen Ausgabe ihres offiziellen Publikationsorgans („Der Urologe“, August 2009, Band 48, Heft 8, Seite 949) klar positioniert und lehnt finanzielle Anreize bei der Patientenzuweisung ab.

„Angesichts des politisch gewollten Wettbewerbs geht es bei dem Disput über Einweiservergütung am Ende um die Frage: ‚Wie viel Marktwirtschaft verträgt unser Gesundheitssystem‘?“,  so Professor Dr. Lothar Weißbach, der gemeinsam mit DGU-Präsident Professor Dr. Wirth im Anschluss an das Forum in der Messe Dresden, Saal 5, am Freitag, 18. September 2009, 14.30 – 16.00 Uhr zu einem Pressegespräch einlädt.

Terminhinweis für Medienvertreter:
Freitag, 18. September 2009, 14.30 – 16.00 Uhr
Forum 17, „Der gekaufte/verkaufte Patient“, Messe Dresden, Saal 5,

Im Anschluss Pressegespräch, von 16.00 – 16.30 Uhr, Konferenzraum 5
mit DGU-Präsident Professor Dr. Manfred Wirth und Professor Dr. Lothar Weißbach

Kongress-Akkreditierung und Anmeldung zu den Pressekonferenzen:
http://www.presseportal.de/otsEinladung/event/8a988089ab

Hintergrundinformationen:
Prof. Dr. O.W. Hakenberg, Urologische Universitätsklinik Rostock, Rostock
„Der verkaufte Patient - Zum ethischen Wert von Kopfprämien aus medizinischer Sicht“, Urologe 2009 · 48:858–863,DOI 10.1007/s00120-009-2030-4 Online publiziert: 9. Juli 2009, © Springer Medizin Verlag 2009

F. Schramm, Koch Staats Kickler Schramm & Partner, Kiel
„Der gekaufte Patient - Zum ethischen Wert von Kopfpauschalen aus juristischer Sicht“, Urologe 2009 · 48:858–863,DOI 10.1007/s00120-009-2030-4
Online publiziert: 9. Juli 2009, © Springer Medizin Verlag 2009

Rund 2000 Jahre lang hatte die Humoralpathologie, die Lehre von den vier Kardinalsäften – Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle - und ihrer Mischung untereinander, die medizinische Entwicklung bis ins 17. Jahrhundert geprägt. Parallel gewann die Harnschau, auch Uroskopie genannt, zentrale Bedeutung. Als wichtigste Ausscheidung der Kardinalsäfte musste der Harn deutliche Hinweise auf mögliche Krankheiten geben. Das Uringlas entwickelte sich zum wichtigsten Symbol des Mediziners, wie sogar Zeichnungen von Albrecht Dürer (1471-1528) attestieren. Selbst der Medizinprofessor Johann Juncker aus Halle, der um 1730 den Begriff „Urologia“ einführte und damit den Urologen als Namensgeber ihrer Fachrichtung gilt, verstand den Begriff zu seiner Zeit noch in dem Sinne, als „das Wasser besehen“. Auf heitere Weise nahm sich auch der deutsche Lyriker und Dichter Eugen Roth (1895-1976) in einem Vers des Themas an: „Zwei Dinge trüben sich beim Kranken: der Urin und die Gedanken.“     

Das Museum dokumentiert indes nicht nur die Entwicklung des professionellen Selbstverständnisses der Urologen, sondern auch die Etablierung als selbstständige Fachdisziplin, die ziemlich lange auf sich hatte warten lassen. Zu stark war die Urologie in ihrem interdisziplinären Ursprung gefangen und hing zwischen Fächern wie Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie und Dermatologie fest. Die allmähliche Emanzipation der Urologie in Deutschland war eng verbunden mit Namen wie Maximilian Nitze, Gustav Simon, Carl Posner und Leopold Casper. Gleichwohl ließen erste Lehrstühle für Urologie sowie die Anerkennung als Lehr- und Prüfungsfach an den Universitäten noch bis in die 1960er-Jahre auf sich warten. Anhand von thematischen Schwerpunkten wie zum Beispiel Chirurgie und Laserurologie, Endoskopie und Laparoskopie, Trans- und Intersexualität, aber auch Implantaten, Andrologie und Geschlechtskrankheiten wird die Entwicklung der Urologie hin zu einem eigenständigen fachärztlichen Gebiet dargestellt.

Ein Meilenstein in der Etablierung als Spezialfach war die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Urologie im Jahre 1906. Sie hatte das primäre Ziel, durch gemeinsame Arbeit ihrer Mitglieder die Urologie zu fördern. Zählte die Gesellschaft bei der Gründung gerade einmal 38 Mitglieder, so waren es ein Jahr später beim ersten DGU-Kongress in Wien unter der Präsidentschaft von Professor Dr. Anton Ritter von Frisch bereits 250.

Die Besucherschaft des Museums in der Uerdinger Straße 64 in Düsseldorf ist bunt gemischt: Fachpublikum aus Medizin und Wissenschaft, Studenten, aber auch interessierte Laien. Naturgemäß sind physische Exponate, die die technische Entwicklung in der Urologie nachzeichnen, beim Publikum besonders gefragt. Zu den wertvollsten  Attraktionen des Museums gehört etwa ein Lichtleiter von Antonin Jean Descormeaux, dem Vater der modernen Endoskopie. Außerdem besitzt das Museum ein großes Lithotripsieset von Civiale. Von seinen wenigen, weltweit noch vorhandenen Geräten zur Zertrümmerung von Steinen gibt es in der Regel nur noch den kleinen Instrumentensatz. Um ein repräsentatives „Königlich Bayrisches Steinschnittset“ aus dem 19. Jahrhundert zu sehen, braucht der Besucher allerdings etwas Glück. Denn dieser Instrumentenkasten wird wegen seiner Besonderheit häufiger für wissenschaftliche Ausstellungen und Filmaufnahmen ausgeliehen, wie Museumsleiter Moll berichtet. Ob die urologische Geräteschau bei Besuchern wie gewünscht auch „Angst vor unseren immer etwas gefährlich aussehenden Instrumenten nimmt“, ist indes nicht verbürgt. Es gibt jedoch auch „harmlose“ Exponate wie etwa Penisfuterale, Phallusamulette oder auch den Gartenzwerg „Urologe“, original aus Gräfenroda – und mit Katheter.

Der Besuch des Urologen-Museums ist so interessant und lohnend wie seine Thematik, mit der die Menschheit zu allen Zeiten konfrontiert war. Nicht umsonst hat die Urologie sogar Einzug in die bildende Kunst fast aller Epochen gehalten: Leonardo da Vinci, Peter Brueghel der Ältere, Rembrandt, Otto Dix, Andy Warhol oder Georg Baselitz, um nur einige zu nennen, widmeten sich in ihrer Weise Themen mit urologischem Bezug.

Interessierte können in der DGU-Geschäftsstelle telefonisch (+0049-211-516096-0) einen Besuchstermin ausmachen oder die Museums-Schätze in der nächsten Düsseldorfer Langen Nacht der Museen im April 2010 in Augenschein nehmen.

Besucher des 61. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. haben die Möglichkeit, einen Teil der DGU-Austellung vom 16. bis 19. September 2009 in Dresden zu sehen.

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Der wechselvollen Geschichte der DGU vergleichbar ist teilweise auch die Geschichte ihres Archives und ihrer historischen Bestände. Schon 1909 war auf dem zweiten Urologen-Kongress die Einrichtung einer eigenen Bibliothek und einer geschichtlichen Sammlung gefordert worden. „Seit kurzem wissen wir, dass in den 1930er-Jahren eine diesbezügliche Ausstellung in Berlin stattfand“, so Museumsleiter Moll. „Aber erst von den 1950er-Jahren an begann der damalige Archivar, Dr. Johannes Keller aus Dresden, eine systematische Sammlung aufzubauen, die durch den Mauerbau und den Tod Johannes Kellers dann aber unterging.“ Erst jetzt seien einige Objekte wiederentdeckt worden. In West-Berlin habe dann Dr. Fritz Schultze-Seemann begonnen, eine neue Sammlung anzulegen, die später vom damaligen DGU-Archivar Professor Rathert vor einem neuerlichen Verlust gerettet wurde. Zwischenzeitlich in Düren untergebracht, wurde die Sammlung dann in ihrem heutigen Domizil in der DGU-Geschäftsstelle in Düsseldorf ab 2000 als Museum und Archiv zur Geschichte der Urologie kontinuierlich ausgebaut. Ein Großteil der Exponate stammt aus Nachlässen von Privatpersonen, vereinzelt kommen Sachspenden von Institutionen aus Wissenschaft und Industrie hinzu, teilweise findet auch ein Austausch mit anderen medizinischen Museen statt. Eine eigene Sammeltätigkeit ist aufgrund des engen Budgets bisher nur begrenzt möglich.

Museumsleiter Moll, der eng mit DGU-Archivar Schultheiss, zusammenarbeitet, verweist mit Stolz darauf, dass die Historie des Fachgebietes nicht in separaten Räumen untergebracht, sondern integriert in die laufende Arbeit der Geschäftsstelle eingebunden sei: „Dieses Konzept wurde Modell sowohl für die Amerikanische als auch die Europäische Gesellschaft für Urologie.“ So werde die Zielsetzung des Museums, beim Blick auf die Geschichte und bei der wissenschaftlichen Arbeit offen für aktuelle Themen und Fragestellungen zu sein, zusätzlich unterstützt. Das Düsseldorfer Urologen-Museum, das in seiner generalistischen Ausrichtung in Europa einzigartig ist, arbeitet eng und freundschaftlich mit anderen Museen rund um den Globus zusammen. Denn: „Über den ‚Arbeitskreis medizinische Museologie’ sind wir fest in die deutsche und ausländische Museumslandschaft eingebettet“, sagt Moll.

Kontakt:

DGU/BvDU-Pressestelle
Bettina-Cathrin Wahlers &
Sabine M. Glimm
Stremelkamp 17
21149 Hamburg
Tel.: 040 - 79 14 05 60
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Fax: 040 - 79 14 00 27
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