Die Uro-Kolumne 04/2022

Autor: |Veröffentlicht am 19. Mai 2022|Aktualisiert am 21. März 2024

„Nie war er so wertvoll wie heute“

20.04.2022. Sie erinnern sich, liebe Leserinnen und Leser zu welchem Produkt diese geniale Werbebotschaft aus den 70iger Jahren gehörte? Hier die Auflösung: Wenn’s vorne juckt und hinten beißt nimm Klosterfrau Melissengeist. Dieses Elixier war für fast alle Wehwehchen, die das Leben so zu bieten hat, die richtige Waffe und nicht selten der Tröster der gelangweilten Hausfrau, der trübe Gedanken vertreiben konnte. Letzteres wohl eher weniger wegen der Inhaltsstoffe, als wegen des Alkoholgehalts von 79 Volumenprozent geschuldet.

Nie war er so wertvoll wie heute, dachten auch viele Menschen in unserem Land, als der etwas nerdig daherkommende Gesundheitspolitiker der SPD (vormals CDU…) Prof. Dr. Karl Lauterbach zuerst in den sozialen Netzwerken zum Gesundheitsminister „geliked“, und dann schließlich ernannt wurde. Obwohl kein wirklicher Sympathieträger, selbst in den eigenen Reihen hat man sich über seine Ernennung gewundert und sie nicht wirklich goutiert, hat Karl Lauterbach es geschafft, viele Deutsche für sich zu begeistern.

Hier kam ihm sicher die Omnipräsenz in den Medien und sein maschinengewehrartiges Twittern zugute. Entgegen der amorphen Masse herumeiernder Politiker hatte KL immer eine Meinung, ein Statement und noch mindestens ein bis zwei Studien hierzu parat, dass diese manchmal etwas eigenwillig zitiert und interpretiert wurden, sei’s drum, wer sollte es auch nachprüfen. Man hatte den Eindruck, der weiß wovon er spricht, der hat‘s drauf – und er ist auch noch Mediziner, ein Arzt, wer wenn nicht er, kann uns durch die Pandemie zurück ins Leben führen. In der vorministeriellen Ära seines Schaffens 2021 war er der am häufigsten eingeladene Gast in den gängigen Talk-Show-Formaten in Deutschland und nutzte diese Plattformen um Unwohlsein, Angst und mitunter auch Panik ob der allgegenwärtigen Bedrohung von Leib und Leben durch dieses kleine böse Virus in des Volkes Seele zu implantieren. Der Deutsche, mithin anfällig, Negatives bereitwillig anzunehmen, hing an seinen Lippen und die „German Angst“ wurde bis zur Adipositas genährt. Das alles mag sicher guten Glaubens seitens KL erfolgt sein, dem Streben nach dem Ministeramt war es zumindest dienlich – Politik eben. Doch wo ist jetzt der Schwenk vom Mahner zum Lenker, Leiter und Kümmerer? Politik soll Halt, Führung, Sicherheit und auch, soweit es dieses Geschäft überhaupt zulässt, Empathie vermitteln. Immerhin befinden wir uns seit zwei Jahren in einer existenziellen Ausnahmesituation – Leben und Freiheit sind ob des Virus mit dem Tod bedroht. Als ob die Pandemie an sich nicht Chaos per se wäre…
Das Ausrufen einer freiwilligen Quarantäne, letztendlich, weil die Gesundheitsämter schon seit Monaten nichts mehr auf die Kette bekommen, um diese dann keine 24 Stunden später auf öffentlichen Druck hin in einer Talkshow eigenmächtig und unabgestimmt mit den Ländern wieder zu kassieren und das noch kurz vor Morgengrauen mit einem Tweet zu untermauern, lässt Führung und eine klare Linie schmerzlich vermissen. Kurz darauf die krachende Niederlage im Bundestag bei der Abstimmung über den, ohnehin schon lange totgerittenen Gaul der Impfpflicht, schlecht vorbereitet, schlecht umgesetzt und epidemiologisch ohnehin widersinnig. Das schafft weder Vertrauen in politisches Handeln noch Sicherheit beim zuvor konsequent durch die Politik verunsicherten Bürger. Über Petitessen, wie die vielen Millionen Impfstoffdosen, die auf Grund von Panikkäufen jetzt, mehr oder weniger geräuschlos zu teurem Müll werden, wollen wir an dieser Stelle nicht reden.

Wir Ärzte, „Ärzte“ wohlgemerkt haben gelernt und lernen jeden Tag unsere Patienten nicht nur zu therapieren, bestenfalls sogar zu heilen, sondern sie auch und vor allem mit Hinwendung, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Fürsorge, Mitgefühl und Empathie während ihrer Erkrankung zu begleiten. Das ist eine der zentralen Aufgaben von uns.
In dieser Zeit der Pandemie ist das Volk der Patient und man möchte Karl Lauterbach zurufen: „Seien Sie nicht nur Mediziner, seien Sie endlich auch Arzt!“

Herzlichst Ihr

Holger Uhthoff