Die Uro-Kolumne 06/2022

Autor: |Veröffentlicht am 20. Juli 2022|Aktualisiert am 21. März 2024

…sind wir noch ganz bei Trost?

20.06.2022. Eines der zentralen Themen auf dem letzten Ärztetag sollte (wieder einmal) die neue GOÄ werden, deren aktuell gültige Fassung, wie wir alle wissen, aus dem Jahr 1982 stammt, mithin also 40 Jahre alt ist und in 1996 (das ist jetzt auch schon 26 Jahre her) einer Teilnovellierung unterzogen wurde. Wir werden also nach einem Regelwerk vergütet, was aus einer Zeit stammt, als es noch die deutsche Mark gab, der Liter Diesel 1,32 DM kostete und ein Laib Brot für 2,70 DM zu haben war.

40 Jahre lang, also über knapp zwei Ärztegenerationen hinweg, arrangiert sich die deutsche Ärzteschaft, die Kostensteigerung in allen Unternehmens- und Lebensbereichen konsequent und unbeirrt negierend, mit dieser Ungeheuerlichkeit – hier liegt unzweifelhaft eine kollektive Wahrnehmungsstörung, wenn nicht Wahnstörung vor.

Wenn dann der jeweilige BGM auf dem DÄT seinen großen Auftritt hat, weht ihm der raue Wind des ärztlichen Widerstands seitens des aktuellen BÄK-Präsidenten entgegen, mit diesem Wind käme nicht mal eine Jolle auf dem Wörthersee vom Fleck, und bei den abendlichen Häppchen sind dann wieder alle ganz lieb miteinander.
Lauterbach hat sich dieses Jahr auch brav für die Übergabe des ausgedruckten GOÄ-Entwurfs bedankt mit der Bemerkung, dass dies (ein gedrucktes Exemplar) „nicht gerade zur Entbürokratisierung beitrüge“, um dann auch noch nebenbei zu erwähnen, man wolle in dieser Legislatur nichts tun was das fragile Gleichgewicht zwischen PKV und GKV störe – also wieder abgeräumt…

Der deutsche Arzt-Michel schluckt die Kröte einmal mehr, warum muss ich hier nur an Punxsutawney, Bill Murray und ein Murmeltier denken, weint abends still ins Kissen und träumt von besseren Zeiten, die dann aber ganz sicher mit dem Ärztetag im nächsten Jahr anbrechen werden.

Liebe Kollegen (und wieder nix mit dem Gender-Stern), egal ob ich mich jetzt beliebt mache oder nicht, in meinem Alter kann man sich diesen Luxus leisten, wir sind doch wahrlich mit dem Klammerbeutel gepudert.

Nach 6 Jahren Studium und 5 Jahren Facharztausbildung nehmen wir es unwidersprochen hin, mit einer Blasenspiegelung 33,79 € Umsatz zu generieren, der mithin nicht einmal die Kosten für den Hygieneaufwand deckt. In USA liquidieren unsere Kollegen zwischen 300 und 500 $ und es wird keinem dortigen Kollegen jemals die Schamesröte ins Gesicht steigen- sie setzen den Wert ihres Tuns einfach so an – und das ist gut so.

Wo bitte bleibt unser Respekt vor dem Wert der eigenen Arbeit, wo ist unsere Selbstachtung verloren gegangen, dass wir diese Art von Geringschätzung klag-und wehrlos hinnehmen?

Die Gebühr für ein anwaltliches Erstgespräch darf nach § 34 RVG maximal 190 € zzgl. MwSt. kosten - wenn wir mit einem Patienten über eine nachhaltig lebensverändernde bzw. lebendbedrohende Erkrankung sprechen, können wir im Höchstfall 61,22 € (Ziffer 34x3,5) liquidieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir machen uns doch auf ganzer Linie lächerlich, dass wir diese höchst pathologische und zwanghafte Form des Altruismus an den Tag legen. Wir erwarten allen Ernstes von der Politik und Gesellschaft eine Wertschätzung, bringen diese aber uns bzw. unserer Arbeit nicht entgegen. Wer seinen Wert nicht klar macht und auch einfordert wird eben „bewertet“ und das nach Gutdünken. Es gäbe genug Beispiele aus den letzten Monaten, die diese These ausdrücklich untermauern.
Die neueste Bodenlosigkeit gegenüber der Ärzteschaft, eigentlich an Herablassung und Geringschätzigkeit nicht zu überbieten, ist der jüngst veröffentlichte Schiedsspruch zu den pharmazeutischen Dienstleistungen in den Vor-Ort-Apotheken.

Hier kann der Apotheker z.B. bei einer oralen Antitumortherapie auf Wunsch des Patienten eine Beratungsleistung erbringen, die mit 90 € vergütet wird. Ich hoffe sehr auf Ihr fassungsloses Kopfschütteln in diesem Moment. Eine urärztliche Aufgabe wird, um ein Mehrfaches gegenüber unseren Gesprächsleistungen vergütet, im Handstreich an die Apotheken weitergereicht, und ein zentraler Aspekt unserer täglichen Arbeit, das Patienten-Arzt-Gespräch fachlich entwertet- deutlicher kann uns die Politik den ausgestreckten Mittelfinger nicht zeigen.

Werden wir endlich erwachsen, liebe Kolleginnen und Kollegen und verhalten uns standesgemäß.

Wir sind weder Bittsteller noch Vasallen, wir sind Angehörige eines freien Berufsstandes. Wir liefern jeden Tag höchst professionelle Arbeit zum Wohle des Menschen und dessen Gesundheit ab. Unsere Arbeit hat ihren Wert und wir verdienen Wertschätzung, und damit meine ich nicht das tief empfundene „Danke“ eines Patienten, dem wir helfen konnten, sondern die Politik hat zu begreifen wer wir sind und was wir sind: Ärzte zum Wohle des Menschen und keine Leistungserbringer die sich mit ein paar Brosamen abspeisen lassen.

Der Kassenpatient mag sich gerne in der Apotheke beraten lassen, er ist schnell wieder zurück, wir allerdings sollten ihm raten zukünftig Versandapotheken zu nutzen.

Legen wir endlich die Elefanten Lauflernschuhe ab und liquidieren im privatärztlichen Bereich ab morgen nur noch per Abdingung– wir sind es wert!

Herzlichst
Ihr Holger Uhthoff