Die Uro-Kolumne 07/2022

Autor: |Veröffentlicht am 19. August 2022|Aktualisiert am 21. März 2024

Finden wir zurück nach vorn?

20.07.2022. „Rüm Hart, klaar Kiming“ – großes Herz, klarer Verstand. Regelmäßige Konsument*innen meiner Kolumne sind mit diesem mehrfach zitierten Sylter Motto in der Ursprache Sölring bereits vertraut: das Leben im Meer weitet den Sylter*innen das Herz und den Horizont, sagt man ihnen nach. So nimmt es nicht wirklich wunder, dass weder die völlig unsensibel gestaltete Hochzeit eines schlecht rasierten, narzisstisch verirrten Ministers noch ein paar bunte, durchaus freundliche Punks, die bierselig eine Parkbank weiter als weinselige Wohlstandstouristen in geschmacksreduzierten Designerklamotten in den Schlaf sanken, uns die positive Gelassenheit nehmen konnten, mit der wir unsere Gäste willkommen heißen. Der Braut-Porsche des Ministers blieb ebenso unverletzt wie die 137 Scharfschützen, die nach durchwühlender Entweihung des Keitumer Friedhofes unsere verzaubernd schöne St.Severin-Kirche vor bösen Geistern abschirmen mussten, damit das kirchensteuerfreie Brautpaar in einer unchristlichen Kasualzeremonie – vermutlich gegen eine opulente Kollekte -  von unserer tollen Pastorin gewohnt souverän lächelnd seinen irdischen Segen empfangen konnte.

Derartige zwischenmenschliche Geschmacklosigkeiten sind für die Sylter*innen stetige Routine und berauben sie weder ihrer emotionalen Großzügigkeit noch ihres Schlafes – wer hier mit offenen Augen Erholung sucht, spürt das wohl einzigartige Zusammenspiel von Meer, Himmel und Wind in der eigenen Seele: rüm Hart, klaar Kiming eben. Oberflächliche Exzesse kindheitstraumatisierter, eitler Hohlbroschen überstehen die Insel und ihre Menschen locker mit einem allenfalls anteilnehmenden Schmunzeln – damit genug vom gerade abgelaufenen Sommertheater mit völlig überblasenen medialen Schalmeien als Begleitorchester.

Was leiten wir daraus ab ? Maximale Toleranz, Respekt und Nächstenliebe als unübertroffene valide Leitlinien für ein friedliches Miteinander in Beruf und Privatleben. Damit betreten wir wieder die versprochene Brücke zur Urologie – wenn auch alle persönlich verändert durch alle Ereignisse der letzten zwei Jahre.

Wir halten fachlich unser internationales Spitzenniveau für unsere Patient*innen ungeachtet der zunehmend widrigen Bedingungen durch Pandemie, Politik und Krieg. Wir nehmen schulterzuckend zur Kenntnis, dass unser von Selbstzweifeln zernagter Gesundheitsminister unseren zaghaften Versuch eines erneut unwürdig unterfinanzierten Gebührenordnungsentwurfes mit einem unverschämten Alibi-Kommentar in den Restmüll wirft, weil er sich nicht getraut hat, Arzt zu werden – erst im zarten Alter von 46 hat er trotz Medizinstudiums seine Approbation beantragt und bis auf ein paar Impfungen nie einen Patienten ärztlich berührt. So treibt sein Sozialneid auf uns wieder einmal seltsame Blüten, indem er aufgrund eigener Defizite einen ganzen Berufsstand geisselt. Wir sind und bleiben eben Samariter*innen…

Zwei Flugstunden östlich kämpfen Menschen um ihr Überleben, Schwerverletzte werden notdürftig versorgt und wir ermöglichen nahezu optimale Präzisionsonkologie. Nein, ich rechne das nicht kritisch gegeneinander auf, es soll nur die Pole aufzeigen, zwischen denen wir uns bewegen. Das eine ist ebenso berechtigt wie das andere notwendig. Was benötigen wir mithin? Balance und Ressourcen zwischen Stabilisierung und Weiterentwicklung der Qualität in Prävention, Diagnostik und Behandlung in der Spitzenmedizin wie Solidarität mit der Notfallversorgung unserer Nachbarn.

Der bevorstehende Kongreß mag Aufschluß darüber geben, ob und wie weit wir bereit sind, diese Herausforderung anzunehmen ohne das übliche „Weiter so“.

Der Aspekt, daß erstmals eine Frau präsidiert, ist dabei zwar nicht substantiell entscheidend, dennoch freue ich mich auf das damit hoffentlich endgültige und unspektakuläre Signal zukünftiger Selbstverständlichkeit dieser längst überfälligen Entwicklung.

Somit wünsche ich unserer Präsidentin einen persönlich glücklichen und erfolgreichen Verlauf in der Hoffnung auf angemessen kräftigen Applaus von uns Allen.

Also: wir finden zurück nach vorn – wenn wir wollen.

Herzlich

Ihr

Wolfgang Bühmann