Die Uro-Kolumne 09/2022

Autor: |Veröffentlicht am 20. Oktober 2022|Aktualisiert am 21. März 2024

Wider die Respektlosigkeit und Beliebigkeit

20.09.2022. „Guten Tag Herr Meier, mein Name ist Uhthoff, ich bin Leistungserbringer“.

Diese Begrüßung hinterließe ein großes Fragezeichen im Kopf des begrüßten Patienten und einige würden wohl nochmals fluchtartig vor die Tür rennen und nach dem Praxisschild suchen.

„Leistungserbringer“, ein juristischer Terminus aus dem SGB V der alle Anbieter von „Gesundheitsleistungen“, also z.B. auch Krankenhäuser, Apotheken, Hebammen, Ergo-und Physiotherapeuten subsumiert. Fühlen Sie sich wohl mit dieser Begrifflichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen? Besteht unser tägliches Wirken am und für den Patienten aus der reinen Erbringung von Leistungen, ähnlich der Servicekraft im Restaurant, die mir das Essen serviert, oder der Fachverkäuferin in der Metzgerei, die mir ein Kilo Rind durch den Fleischwolf zu Hack verarbeitet?  Leistungserbringer im Wortsinn sind es auf alle Fälle.

Ich mag allerdings bezweifeln, dass dem Fleisch die gleiche Empathie auf seinem Weg durch die Lochscheibe zuteilwird, wie unserem Patienten, wenn wir ihn über seine Erkrankung aufklären. Sicher ein groteskes Beispiel, aber, und ich hoffe, das sind wir uns einig, ist die Bezeichnung „Leistungserbringer“ für Ärztin/Arzt ebenso grotesk, ja abwertend, beleidigend und auch diskriminierend, denn es würdigt unsere ärztliche Tätigkeit, die weit mehr als das „Erbringen von Leistungen“ darstellt, in respektloser Achtlosigkeit herab – hier wäre im Zweifelsfall ein Blick in das Genfer Gelöbnis hilfreich.

Wieso konfrontieren wir nicht unsere neue Antidiskriminierungsbeauftragte Frau Ferda Ataman mit dieser Situation? Das sollte allerdings ein geschätzter Kollege aus unseren Reihen mit lupenreinem Migrationshintergrund übernehmen und bitte keine „Kartoffel“, „kein weißer Deutscher“, denn dieser Teil unserer Bevölkerung kann ja nach dem

Gesellschaftsbild von Frau Ataman gar nicht in die Lage kommen, diskriminiert zu werden (außer von ihr höchstpersönlich).

„Leistungserbringer“ impliziert Beliebigkeit und Austauschbarkeit, bedient mich heute Frau Müller anstatt Frau Schulze, kein Problem, die Leistung wird ja erbracht. Diese Betrachtung klammert z.B. die „Droge Arzt“, den Älteren von uns mag der Terminus noch geläufig sein, ein Phänomen in der Patienten-Arzt-Beziehung, ähnlich einem Placebo-Effekt, der sich durchaus positiv auf den Patienten und dessen Krankheitsverlauf auswirkt, völlig aus.

„Leistungserbringer“ stellen ihr Leben nicht in den Dienst der Menschlichkeit, kümmern sich nicht über das normale Maß hinaus um Patienten und Angehörige, sie machen einfach, ihren Job und erhalten dafür eine Gegenleistung – Geld.

Es ist an der Zeit, „Respekt“, „Achtung“ und „Anerkennung“ einzufordern, immerhin Termini aus dem Leitbild der neuen Bundesregierung, die Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am 16. Dezember 2021 in den Mund genommen hat.

Wir sollten als Einzelne nicht müde werden, bei jeder Gelegenheit diese entwürdigende Bezeichnung unseres Standes aktiv zu korrigieren und hierzu gehört aus meiner Sicht zuvorderst, Kammern und KV’en eindeutig klarzumachen, dass die Verwendung dieses Begriffes in der Kommunikation mit Politik und „Kostenträgern“ aber auch in der Öffentlichkeit absolut obsolet ist.

Hier tragen gerade auch unsere Verbandsorgane (DGU, GeSRU und BvDU) eine ganz besondere Verantwortung.

Wir sind Ärztinnen und Ärzte – nicht mehr und nicht weniger

Herzlichst

Ihr Holger Uhthoff