Die Uro-Kolumne 04/2023

Autor: |Veröffentlicht am 19. Mai 2023|Aktualisiert am 21. März 2024

KI: Chapeau dem Ethikrat…(?)

…mit einer gehörigen Portion Ironie.

20.04.2023. Manchmal erwache ich zu den abendlichen Qua(r)k-Talks als definitive Einschlafhilfen.  So geschehen vor etwa zwei Wochen, als ich unserer Kollegin Alena Buyx, Vorsitzende des Gremiums, in die Augen und auf ihr wohltuend frischrotes Kleid – fast schon ein Markenzeichen - schauen durfte.

Akut war ich auf Deck, als sie in ihrer bahnbrechenden Einlassung verkündete, KI (Künstliche Intelligenz, nicht Kontraindikation – oder doch ?) dürfe und könne keinesfalls reale Menschen ersetzen, allenfalls ergänzen. Es fehle ihr an Wärme, Zuwendung, Empathie – Emotionen eben. Was für eine epochale Erkenntnis!

Intelligenz (von lateinisch intellegere „erkennen“, „einsehen“; „verstehen“; wörtlich „wählen zwischen …“) ist die kognitive bzw. geistige Leistungsfähigkeit speziell im Problemlösen. Intelligenz gibt es mental, sozial, kreativ und emotional – jedoch niemals künstlich. Für Sprachverliebte wie mich ist die Kombination von „künstlich“ und „Intelligenz“ eine schizoide Verirrung und ein Widerspruch in sich.

Auf „meiner“ Trauminsel durfte ich kürzlich mit einem autonom fahrenden Elektrobüslein künstlich intelligent durch das beschauliche Dörfchen Keitum probegondeln – ohne Fahrer! Zur Sicherheit gab es einen „Operator“, der – hurra – eingreifen durfte, als das Ding ehrfurchtsvoll hinter einem leicht unbotmäßig auf dem Kantenstein parkenden Bentley Cabrio zum Stehen kam – es störte die virtuelle Satellitenfahrbahn.

Kein Problem für den Operator, verfügte er doch über die Heißlinie zur Zentrale in Lyon, Frankreich. Dort war der Anruf jedoch vergebens, weil die Problemlöser ganz im Sinne der Arbeits-Lebens-Ausgewogenheit, genannt „savoir vivre“, Mittagspause oder Siesta hielten und wir somit 45 Minuten Zwangspause hatten - bei emissionsfreiem Aufenthalt kein Problem für gelassene Insulaner*innen. Fazit: die stupende KI scheiterte an simpler menschelnder Realität. Gott sei Dank, war damit ein kleines, jedoch beeindruckendes Beispiel der Blödheit der KI dokumentiert. Oder wurde sie durch die Existenz menschlicher Wesen entkoppelt? Also weg mit den menschlichen Versager*innen, dann kann KI endlich triumphieren.

Die Vorstellung, bei schwindendem Geist im Senium von einem metallenen R2D2-Greifarm gestreichelt und von einer schnarrenden Synthetikstimme getröstet zu werden, erzeugt eiskalte Gänsehaut.

Längst hat sie sich - initiiert und inspiriert von menschlichen Superhirnen – verselbständigt und entfaltet sich zu Segen und Fluch, indem sie fehlerlos gigantische digitale, mathematische, physikalische Leistungen vollbringt, die uns in diversen Lebensbereichen helfen sollen – auf ihrer Schattenseite jedoch ihre Schöpfer*innen voll selbstverliebter Begeisterung so besoffen gemacht hat, daß diese jede Fähigkeit verloren haben, deren Risiken entmenschlichter Allmacht ethisch zu limitieren.

Nota bene: Sie erfüllt alle Kriterien einer malignen onkologischen Entität: sie wächst infiltrierend, destruierend und metastasierend…

Intelligenz im Sinne evolutionär-chromosomalen Erbgeschenkes setzt dem Menschen eine Krone auf – künstliche Intelligenz hingegen birgt Gefahren tiefer, unmenschlicher Schluchten.

Wen braucht es mithin? Intelligente, empathische und emotional stabile Dompteur*innen, die KI im Zaum halten und sie gerne als Diener nutzen, bevor sie uns dominiert und komplett seelenlos beherrscht.

Bleibt wachsam, liebe Urologe*innen – und wenn es nur dazu dient, ab und an ein menschliches Leben zu retten, sollte es einmal beim faszinierten Zuschauen einer KI-RRPE (= künstlich intelligent robotergesteuerte radikale Prostatovesikulektomie) ohne jede manuelle Beteiligung zu einer ungeplanten Blutung aus einem aberrierenden Venenplexus an der Prostata kommen. Legt den Kugelschreiber beiseite, mit dem ihr Omas Kreuzworträtsel zum Training des dämmernden Hirns lösen wolltet, greift beherzt zu und stoppt ganz beschämend-analog die Blutung, damit der Patient am Abend des Op-Tages R0-reseziert und rosig entlassen zuhause im Bett schlafen kann.

O tempora, o mores.

Herzlich

Ihr

Wolfgang Bühmann