Die Uro-Kolumne 10/2023

Autor: |Veröffentlicht am 19. November 2023|Aktualisiert am 21. März 2024

Intersex – viele Köche verderben die Köchin?

20.10.2023. Die Fachwelt von Kinderurolog*innen und Kinderchirurg*innen ist sich einig: die Hypospadie ist mit 1:200 nicht nur eine häufige Fehlbildung, sie bedarf der Korrektur zur Vermeidung psychischer und somatischer Störungen zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr – so weit, so gut.

Eben nicht: da gibt es omnipotente Poltiker*innen und Jurist*innen, die in weisem Ratschluß zu der Erkenntnis kommen, diese Normvariante der Intersexualität zuzuordnen und damit ein Faß aufmachen, das schwer wieder zu verschließen ist. Sie gießen die Hypospadie in einen Gesetzeskanon, der ebenso komplex wie verwirrend ist und den betroffenen Kindern einmal mehr nicht gerecht wird:

§ 1631e
Behandlung von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung

(1) Die Personensorge umfasst nicht das Recht, in eine Behandlung eines nicht einwilligungsfähigen Kindes mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung einzuwilligen oder selbst diese Behandlung durchzuführen, die, ohne dass ein weiterer Grund für die Behandlung hinzutritt, allein in der Absicht erfolgt, das körperliche Erscheinungsbild des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts anzugleichen.

(2) 1 In operative Eingriffe an den inneren oder äußeren Geschlechtsmerkmalen des nicht einwilligungsfähigen Kindes mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, die eine Angleichung des körperlichen Erscheinungsbilds des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts zur Folge haben könnten und für die nicht bereits nach Absatz 1 die Einwilligungsbefugnis fehlt, können die Eltern nur einwilligen, wenn der Eingriff nicht bis zu einer selbstbestimmten Entscheidung des Kindes aufgeschoben werden kann. …

(3) 1 Die Einwilligung nach Absatz 2 Satz 1 bedarf der Genehmigung des Familiengerichts, es sei denn, der operative Eingriff ist zur Abwehr einer Gefahr für das Leben oder für die Gesundheit des Kindes erforderlich und kann nicht bis zur Erteilung der Genehmigung aufgeschoben werden. 2 Die Genehmigung ist auf Antrag der Eltern zu erteilen, wenn der geplante Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht. 3 Legen die Eltern dem Familiengericht eine den Eingriff befürwortende Stellungnahme einer interdisziplinären Kommission nach Absatz 4 vor, wird vermutet, dass der geplante Eingriff dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(4) 1 Einer interdisziplinären Kommission sollen zumindest die folgenden Personen angehören:

 1. der das Kind Behandelnde gemäß § 630a,

 2. mindestens eine weitere ärztliche Person,

 3. eine Person, die über eine psychologische, kinder- und jugendlichenpsychotherapeutische oder kinder- und jugendpsychiatrische Berufsqualifikation verfügt, und

 4. eine in Ethik aus-, weiter- oder fortgebildete Person.

2 Die ärztlichen Kommissionsmitglieder müssen unterschiedliche kinderheilkundliche Spezialisierungen aufweisen. 3 Unter ihnen muss ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderendokrinologie und -diabetologie sein. 4 Ein Kommissionsmitglied nach Satz 1 Nummer 2 darf nicht in der Einrichtung der medizinischen Versorgung beschäftigt sein, in der der operative Eingriff durchgeführt werden soll. …

Es reicht, finde ich – den Rest dieser orgiastischen Formulierung erspare ich Ihnen. Hat etwa irgendjemand das geschmeidig verstanden ?

Natürlich bedarf die Definition von Intersexualität und kindgerechte Adaptation von Soma und Psyche sorgfältigster Abwägung vor komplexen hormonellen und chirurgischen Interventionen. Bemerkenswert dabei ist die Entmündigung der Eltern und fachkundigen Ärzte*innen, selbst wenn sie sich einig sind. Wenn der Mensch nicht weiter weiß, gründet er n Arbeitskreis. Wie lange wird der Entscheidungsprozeß dauern, bis diese Kommission Termine und gar ihre Beurteilung konsentiert hat ? Pubertät, Adoleszenz und Eintritt des Rentenalters ticken unerbittlich.

Wo liegt der Fehler ? Die Hypospadie gehört keinesfalls in diesen Katalog der Intersexualität, um eine angemessen zeitgerechte Korrektur zu ermöglichen und körperliche Entwicklungsdefizite zu vermeiden. Gesellschaftlich kaum beachtet, lauert hier Sprengstoff einmal mehr für unsere Kinder und deren Schutz vor Experimenten pseudointellektueller, fachfremder Expert*innen mit der Empathie einer Anstaltspackung sedativer Substanzen.

Da gehört dringend der Finger in die Wunde und diese absurde Rechtsnorm revidiert.

Die Moral von der Geschicht: Wer nach allen Seiten offen ist, ist irgendwo nicht dicht…

Herzlich

Ihr

Wolfgang Bühmann