…was Oma noch wusste
20.09.2024.Unser oberster Volksgesundheitswächter hat jetzt die Notdienstreform, mit all den Segnungen wie integrierte Notfallzentren, gemeinsamer Theke von Niedergelassenen und Krankenhausambulanzen und Verlängerung der (freiberuflichen?) Präsenzzeiten in der Praxis, um nur einige Punkte dieses hochgenialen Machwerks zu nennen, zum Wohle des Bürgers auf den Weg gebracht.
Halten wir doch einmal inne.
Wie kann es sein, dass sich die Volksgesundheit in den letzten Jahrzehnten derart verschlechtert hat, dass diese Maßnahmen jetzt „alternativlos“(eines der geflügelten Merkel-Worte) geworden sind, um die Kapazität der Friedhöfe nicht zu überlasten, wenn nicht umgehend jedes Wehwehchen 24/7 poliklinisch abgeklärt und bestenfalls ad hoc therapiert wird. Der Bürger ist bei weitem nicht kränker als vor 20 Jahren, es fehlt zunehmend der Wille, der Mut und die Bereitschaft sich erst einmal selbst zu helfen.
In meiner Kindheit wurden auch vermeintlich ernste Gesundheitszustände wie geschwollene Mandeln und hohes Fieber, jede Helikoptermutter würde mit quietschenden Reifen in ihrem SUV (ich liebe Klischees) vor der nächsten universitären HNO-Klinik vorfahren, erst einmal mit kühlen Hals- und Wadenwickeln sowie einer extra Portion Eis behandelt. Das Schlucken trieb einem mitunter die Tränen in die Augen, aber das Eis war einfach lecker.
Ein Zeckenbiss machte keinen Notfalltransport in die nächste Kreisklinik notwendig, sondern Vater ging ins Badezimmer und holte die Pinzette, nicht ohne vorher unsinnigerweise Öl auf den Holzbock zu träufeln, um sicherzustellen, dass dieser im Todeskampf auch zuverlässig seine Viruslast in den Wirtskörper ablud.
Der grippale Infekt endete regelmäßig mit dem Kopf über der dampfenden Schüssel mit heißem Wasser in der die öligen Schlieren des aufgelösten Pinimenthols® die tollsten Formen annahmen. Mit einem Glas Milch mit Honig, wahlweise auch mit einer “heißen Zitrone“ (heißes Wasser mit Zitronensaft, frisch gepresst natürlich) wurde man danach ins Bett verfrachtet, und bekam dann noch liebevoll von der Oma oder Mutter die Brust mit Eukalyptus-Balsam eingerieben.
Die akute Enteritis endete früher eben nicht umgehend auf der Isolierstation mit ständiger Überwachung der Elektrolyte, um diese mmol-genau zu substituieren, die Cola ( die es sonst so gut wie nie gab) Salzstangen und ein warmer Wickel aus gestampften Kartoffeln auf dem schmerzenden Bauch, taten ebenfalls ihren Zweck- manchmal hatte so ein Dünnschiss auch was für sich.
Dies alles, aus Sicht der Generationen Y und Z wohl eher absurd und skurril anmutend, wenn die Schwelle zur fachärztlichen Diagnose niedriger als zur gelieferten Pizza von Domino’s ist, hat meiner Generation (Boomer) nicht geschadet. Wir haben wider Erwarten überlebt, auch ohne die 24/7 Betreuung eines professionellen Ärzteteams mit uneingeschränktem Zugang zur ad-hoc Maximaldiagnostik und -therapie.
Hausmittel und liebevolle Zuwendung taten ihren Zweck.
Liebe Leser (und Leserinnen), ich bevorzuge, wie Sie wissen, wenn Sie öfters hier vorbeischauen, einfache und pragmatische Lösungen: Der gesundheitsunmündige Bürger kann nach einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme einer Notfallambulanz, oder wie auch immer diese segensreichen Einrichtungen nun heißen mögen, die Auferlegung der Kosten abwenden, indem er den Kurs „Was Oma bei Krankheit noch wusste“, an der hiesigen Volkshochschule besucht . Das würde das Gesundheitssystem deutlich entlasten und die „Omas“ würden sich ob der Wertschätzung ihrer Lebenserfahrung freuen.
Herzlichst Holger Uhthoff