Autor: Pressestelle DGU/BvDU|Veröffentlicht am 11. Februar 2016|Aktualisiert am 24. Mai 2023

DGU-Präsident im Interview: 68. Urologen-Kongress thematisiert Dilemma zwischen Ökonomie und Qualität

Auf dem 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) rückt DGU-Präsident Prof. Dr. Kurt Miller den wachsenden Konflikt zwischen Ökonomie und Qualität in der Medizin in den Mittelpunkt. Mit Blick auf die junge Urologen-Generation strebt er mithilfe der sozialen Medien außerdem eine Demokratisierung der Kongressplanung an. Mit der DGU-Pressestelle sprach der Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik Charité, Universitätsmedizin Berlin, über Neues auf der weltweit drittgrößten urologischen Fachtagung vom 28. September bis 1. Oktober 2016 im Congress Center Leipzig und über die Ziele seiner Präsidentschaft.

Herr Prof. Miller, mit welcher Intention haben Sie den ökonomischen Druck in der Medizin als Ihr Kongressmotto ausgewählt?

Prof. Kurt Miller: Der Konflikt zwischen Ökonomie und Qualität in der Medizin bestimmt nahezu  jeden Tag unseres Berufslebens. Überspitzt formuliert, reden wir derzeit mehr über Deckungsbeiträge als über Komplikationsraten. Tatsächlich hat sich die Art des ökonomischen Denkens in den Krankenhäusern verändert. Anders als erwartet hat die Einführung des DRG-Systems 2002 die Anzahl der Krankenhäuser nicht reguliert, vielmehr geben die Klinikleitungen den ökonomischen Druck an den ärztlichen und pflegerischen Bereich weiter und versuchen, mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel zu machen. In der Folge geraten alle Bereiche der Medizin in ein wachsendes Dilemma zwischen ökonomischem Druck und qualitativem Anspruch. Phänomene wie der sogenannte Transplantationsskandal sind letztlich u.a. diesem Druck geschuldet und ein deutliches Warnsignal.

Inwieweit ist die Urologie von diesem Konflikt betroffen?

Prof. Kurt Miller: Das Problem ist nicht urologiespezifisch, sondern betrifft generell alle Bereiche der Medizin. Aber natürlich sind im Besonderen die operativen Fächer betroffen und nicht vor der Verlockung der Indikationsausweitung gefeit. In der Urologie lässt sich bei kritischer Betrachtung die Problematik ausmachen, welche Prostatakarzinome behandelt und welche nur überwacht werden müssen. Das Risiko der Indikationsausweitung wird jedoch in anderen operativen Fächer wie etwa in der Orthopädie größer gesehen als in unserem Fach.

Welcher Weg führt aus dem Dilemma?

Prof. Kurt Miller: Die Politik hat die falschen Belohnungsanreize inzwischen erkannt und rückt mit der Gründung des Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) 2015 die Qualität in den Fokus. Qualität abzubilden und im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes die Möglichkeiten leistungsorientierter Vergütung aufgrund dargestellter Exzellenz zu nutzen, sehe ich als wichtigen Schritt aus der derzeitigen Misere.
Als Vertreter der Urologie müssen wir darauf reagieren. Unsere Aufgabe ist es jetzt, Qualität und damit Kompetenz für unser Fachgebiet z.B. im Rahmen der Versorgungsforschung zu evaluieren und gegenüber konkurrierenden Fächern zu demonstrieren. Dafür will ich die Kolleginnen und Kollegen an der Basis in meiner Amtszeit sensibilisieren und auf unserer Jahrestagung entsprechende Diskussionen anregen. Ich freue mich sehr, dass wir diese Diskussion mit zwei wichtigen politischen Mitspielern führen können und in Leipzig den G-BA-Vorsitzenden, Prof. Josef Hecken, und den Leiter des IQTIG, Dr. Christof Veit, begrüßen werden können.

Erwarten Sie auf dem 68. DGU-Kongress neue wissenschaftliche Erkenntnisse bzw. patientenrelevante Neuerungen?

Prof. Kurt Miller: Heiße Favoriten für Neuigkeiten sind die Immuntherapie bei den Tumoren der Niere und der Harnblase sowie die Bildgebung beim Prostatakarzinom. Sicher wird es auf dem Kongress auch ein Forum zur neuen S3-Leitlinie zum Blasenkarzinom geben, die bis dahin publiziert sein wird.

Im Vorfeld Ihres Kongresses setzen Sie stark auf den Einsatz sozialer Medien: Wollen Sie mit den Online-Anstrengungen der DGU mehr als einen Trend bedienen?

Prof. Kurt Miller: Ja, viel mehr! Zum einen können wir es mithilfe der sozialen Medien schaffen, das Wir-Gefühl in der urologischen Gemeinde zu stärken und dabei gerade die jungen internetaffinen Urologinnen und Urologen mit ins Boot zu holen. Gleichzeitig, und das ist mir ein wichtiges Anliegen, haben wir online die Chance, die Kongressentwicklung zu demokratisieren. Wir können Teilhabe ermöglichen und alte Strukturen verändern. Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Kolleginnen und Kollegen auf diesem Wege im Vorfeld des Kongresses einbringen und mit uns die laufende Programmentwicklung, die online verfolgt werden kann, diskutieren und eigene Ideen einbringen.

Was erwartet die Besucher 2016 in Leipzig? Planen Sie organisatorische Veränderungen oder neue Veranstaltungsformate auf Ihrem Kongress?

Prof. Kurt Miller: Ganz neu wird es in diesem Jahr einen speziellen „Praxis-Pfad“ auf dem Kongress geben, in dem wir drei bis vier Sitzungen von Niedergelassenen für Niedergelassene anbieten. Die Inhalte richten sich nach ganz konkreten Interessen der Basis, die von zwei niedergelassenen Kollegen in der Programmkommission eruiert werden. Erstmals werden wir auch Livestreams aus den meisten Foren haben, die den Besuchern über die DGU-Kongress-App ubiquitär und an bestimmten Stellen im Congress Center Leipzig zur Verfügung stehen. Am Mittwoch werden wir außerdem – soweit mir bekannt ist erstmals – eine Live-Op Übertragung anbieten.

Das Amt des DGU- und Kongresspräsidenten fordert bekanntlich ganzen Einsatz: Was treibt Sie persönlich an?

Prof. Kurt Miller: Mein persönlicher Motivator ist der Wille, Dinge zu verbessern, Veränderungen und Neues auf den Weg zu bringen, um das Ganze in Bewegung zu halten. Als DGU-Präsident heißt das, unsere Urologie auf die aktuellen Herausforderungen einzustellen. Dafür arbeite ich derzeit gerne sieben Tage in der Woche – schließlich übernimmt man Amt und Kongressorganisation aus freien Stücken. 

Interview: DGU-Kongress-Pressestelle

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