Im Interview mit der Pressestelle: DGU-Präsident Wullich überrascht mit News zum 77. Kongress in Hamburg
Ein Motto, das aus dem Herzen kommt, neue Veranstaltungsformate, mehr partizipative Entscheidungsfindung, mehr Komplementärmedizin und ein Kick-off für ein strukturiertes Nachhaltigkeitsprogramm der DGU: Prof. Dr. Bernd Wullich lässt tief in die Kulissen des kommenden Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. blicken.
1. Herr Prof. Wullich, Ihr Motto für den 77. DGU-Kongress im Herbst 2025 in Hamburg lautet „Urologie verbindet“ und ist, nach Ihren Worten bei der feierlichen Präsidentschaftsübernahme in Leipzig, eine Idee, die aus dem Herzen kam. Wie dürfen wir uns das vorstellen?
Das Motto „Urologie verbindet“ ist tatsächlich eine Idee, die aus dem Herzen kam. Über die vielen Jahre, die ich nun in der Urologie arbeite, habe ich erlebt, wie wichtig es ist, Patientinnen und Patienten empathisch und auf Augenhöhe zu begegnen. Diese Verbindung schafft ein Momentum, das sich auf die Behandlungsergebnisse ebenso auswirkt wie auf Forschungsinhalte. Dasselbe Momentum werden wir erreichen mit einer wertschätzenden und respektvollen Verbindung zu anderen Fachgruppen innerhalb und außerhalb der Urologie, die die Mitarbeitenden in den Pflege- und Assistenzberufen in unserem Fach ebenso einbindet wie die Kollegen und Kolleginnen in anderen medizinischen Fachbereichen. Darüber hinaus sind aber auch ganz persönlich Verbindungen zu ganz vielen Kolleginnen und Kollegen über die Jahre hinweg entstanden, die mir wichtig sind. Diese persönlichen Verbindungen waren immer wertvoll für mich und sind es noch. Insofern ist mein Motto eine echte Herzensangelegenheit.
2. Die Urologie verbindet laut Ihrem Grußwort Urologinnen und Urologen mit ihren Patientinnen und Patienten, unterschiedliche im Fach tätige Berufsgruppen sowie Forschungsnetzwerke; sie verbindet ambulant und stationär Tätige und hat eine enge Verbindung zur Industrie: Ihr Anspruch ist es, den Austausch mit all diesen Partnern auf Augenhöhe zu intensivieren. Wird es auf dem kommenden Kongress dafür neue Veranstaltungsformate geben?
Um dem Gedanken des Mottos „Urologie verbindet“ mit Diskussionen auf Augenhöhe gerecht zu werden, soll es auf dem Kongress sehr viel mehr interaktive Veranstaltungsformate geben als bisher. In der Vergangenheit sehr gut angenommen wurden die Tumorboards. Dieses Format wird weitergeführt und auf andere Themenfelder übertragen. Ziel ist es, durch Panelsitzungen in den Foren die Diskussion zwischen den Experten zu intensivieren und das Auditorium interaktiv mit einzubinden.
3. Neben der fachlichen Breite wollen Sie im Kongressprogramm neue Schwerpunktthemen abbilden, die die Urologie in den nächsten Jahren beeinflussen werden. Dazu zählen Sie auch die partizipative Entscheidungsfindung, die in der Urologie mit der Aufklärung bei der PCa-Früherkennung oder in der Online Entscheidungshilfe Prostatakrebs ja bereits verankert ist. Wie kann künftiges Shared decision-making aussehen?
Shared decison making ist ein strukturierter Prozess, in dem die Ärztin oder der Arzt gemeinsam mit dem Patienten Präventionsmöglichkeiten oder Behandlungswege offen bespricht. Wir wissen, dass der Dialog auf Augenhöhe die Bereitschaft der Betroffenen steigert, sich den Belastungen einer Therapie eher zu unterziehen und die Unannehmlichkeiten einer Behandlung anzunehmen. Das setzt ein mit Empathie geführtes Gespräch ebenso voraus wie die Bereitschaft, den Patienten in der Rolle seines eigenen Experten zu sehen. Dieses Rollenverständnis ist neu und reflektiert sich in der wachsenden Mitarbeit von Patientinnen und Patienten als Vertreter von Selbsthilfegruppen in Patientenbeiräten in vielen nationalen und regionalen Gesundheitsgremien.
4. Die Integrative Uro-Onkologie wollen Sie ebenfalls stärken: Welche Rolle kann die Komplementärmedizin spielen, um Nebenwirkungen zu reduzieren und Lebensqualität zu verbessern?
Konzepte zur Implementierung von Bewegung und Sport, Ernährung, aber auch Akupunktur, Naturheilverfahren und Homöopathika sind heute durchaus Bestandteil onkologischer Versorgung auf dem Boden guter wissenschaftlicher Evidenz. In anderen Fachbereichen wie der Hämatologie-Onkologie und der Gynäkologie spielt die Komplementärmedizin bereits eine größere Rolle als in unserem Fach. Dabei geht es nicht um einen die Schulmedizin verdrängenden Ansatz, sondern um eine Komplementarität zur Reduktion von Nebenwirkungen und Verbesserung der Lebensqualität. Diese Faktoren können die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten gegenüber unseren Systemtherapien verbessern und damit indirekt vielleicht auch einen Beitrag leisten zur Verbesserung des Überlebens.
5. Nicht zuletzt steht die Nachhaltigkeit auf Ihrer Präsidentschaftsflagge: Wie weitreichend ist es gemeint, wenn Sie betonen, dass die Nachhaltigkeit Thema in der Fachgesellschaft werden soll? Geht es um ein, vielleicht überfälliges, strukturiertes Engagement der DGU?
Dass sich die DGU dem Thema „ökologische Nachhaltigkeit“ widmet, ergibt sich einmal aus unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung als Akteure im Gesundheitssystem, aber auch und nicht zuletzt aus der Tatsache heraus, dass ökologische Nachhaltigkeit auch soziale und ökonomische Nachhaltigkeit bedeutet. Dieser Mehrdimensionalität von Nachhaltigkeit kann sich die DGU einmal als Organisation, dann aber auch bei der Ausübung ihrer Kernaufgaben oder auch in der Einwirkung auf das Verhalten unserer Mitglieder im Sinne eines opinion leader widmen. Der Kongress dient in diesem Sinne als Kick-off für ein strukturiertes Nachhaltigkeitsprogramm der DGU. Zur kontinuierlichen Bearbeitung dieser Thematik soll eine Arbeitsgemeinschaft „Nachhaltigkeit in der Urologie“ eingerichtet werden.
6. Neuerungen in der Uro-Onkologie kommen immer schneller: Inwieweit werden diese Fortschritte allen Patientinnen und Patienten zugutekommen, bzw. wie kann dieses Ziel erreicht werden?
Fortschritte in der Uro-Onkologie können einer Patientin oder einem Patienten schneller zugutekommen, wenn die Zusammenarbeit über die Sektorengrenzen hinweg intensiviert wird und die Patienten sowohl in den individuellen Entscheidungsprozess für eine Behandlung, als auch durch die Partizipation in entscheidungsrelevanten Strukturen unseres Gesundheitssystems aktiv eingebunden sind. Auch das ist ein Aspekt, der in dem Motto „Urologie verbindet“ verankert ist.
7. Sind zum Kongress Innovationen bei den gutartigen urologischen Erkrankungen zu erwarten?
Durchaus! So wird sich beispielsweise der Arbeitskreis Urolithiasis auf dem Kongress mit den „Suction Devices“ als neuestes Highlight intensiver beschäftigen. Das sind Instrumente und Harnleiterschleusen mit Absaugfunktion bei der RIRS und der PCNL.
8. Welche konkrete Rolle spielen Digitalisierung und KI bei diesen Innovationen? Haben Sie Beispiele?
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind Schlüsselkomponenten der innovativen Entwicklungen, die auf dem Kongress vorgestellt werden. Der UroBot, ein KI-gestütztes Assistenzsystem, ist ein herausragendes Beispiel. Er unterstützt Urologinnen und Urologen bei Diagnosen und klinischen Entscheidungen durch die Analyse umfangreicher Datenmengen in Echtzeit. Das System verbessert nicht nur die Präzision, sondern auch die Effizienz in der Patientenversorgung. Der UroBot zeigt eindrucksvoll, wie KI-Lösungen die urologische Praxis revolutionieren können.
9. Sind zum 77. DGU-Kongress wichtige Leitlinien-Updates/Patientenleitlinien in der Pipeline?
UroEvidence arbeitet intensiv an einer Reihe von Leitlinien im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie der DKG. So werden 2025 und 2026 aktualisierte Patientenleitlinien zum Nieren-, Blasen- und Prostatakrebs veröffentlicht werden. Im Bereich der ärztlichen Leitlinien werden die S3-Leitlinien zum Prostata-, Blasen-, Hoden- und Peniskarzinom aktualisiert und in den kommenden zwei Jahren veröffentlicht werden. Dann freut es mich sehr, dass im April 2025 die Arbeit an der S3-Leitlinie zu den komplizierten Harnwegsinfektionen aufgenommen werden wird. Das ist eine über den Innovationsfonds finanzierte Leitlinie. In diesem Zusammenhang gilt mein Dank allen, die ein hohes Engagement aufbringen und eine nicht unerhebliche Arbeitsbelastung auf sich nehmen, um alle diese Leitlinien erfolgreich auf den Weg zu bringen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
10. Haben Sie prominente Gäste nach Hamburg eingeladen?
Ob Gäste prominent sind oder nicht, hängt natürlich ganz davon ab, was Prominenz für einen selber bedeutet. Insofern ja, ich habe prominente Gäste eingeladen, auf die wir uns alle sehr freuen können - es ist aber keine Prominenz aus, wie man so schön sagt, „Funk und Fernsehen“.
11. Ist ein Schüler:innen- bzw. Studierendentag auf dem 77. DGU-Kongress vorgesehen?
Der Schüler- und Studierendentag ist im Sinne der dringend benötigten Nachwuchsgewinnung fester Bestandteil des Kongresses. Um die Organisation im Vorfeld kümmern sich wie in der Vergangenheit die Mitarbeiterinnen der Pressestelle und um die Organisation und den Ablauf vor Ort die DGU in enger Abstimmung mit Interplan.