Die Uro-Kolumne 03/2024

Autor: |Veröffentlicht am 19. April 2024|Aktualisiert am 19. April 2024

Die Unterschrift

20.03.2024. „Ich komme wegen der Unterschrift…“. Diesen Satz höre ich, als Androloge, mehrmals die Woche, regelhaft von einem Mann zwischen 30 und 40 – was steckt dahinter?

Auf die zarte Nachfrage, um welche Unterschrift es sich denn handle, kommt die stereotype Antwort, dass ihn „das Kinderwunschzentrum schicke, weil die eben eine Unterschrift vom Andrologen brauchen würden, sonst könnten sie keine Kinderwunschbehandlung machen“.

Die Richtline der BÄK hierzu, fortgeschrieben zuletzt 2022, ist eindeutig:
Sie fordert die Untersuchung des die Samenzellen spendende Mann ist im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand und Fertilitätsstatus durch einen Andrologen. Hierzu gehören eine Eigen-, Familien- und Paaranamnese einschließlich einer Sexualanamnese, eine körperliche Untersuchung, Ejakulatanalyse sowie ggf. ergänzend eine Sonographie der Skrotalorgane bis hin zu  hormonellen und zyto- bzw. molekulargenetische Untersuchungen. Kontraindikationen gegen eine Samenspende sind zu erfassen und behandelbare Störungen müssen therapiert werden, ehe die Indikation eine assistierte Fertilisierung gestellt werden kann.

Wir reden also von einer qualifizierten umfassenden Untersuchung des männlichen Teils des Kinderwunschpaars mit verantwortungsvoller Indikationsstellung für eine assistierte Fertilisierung durch einen Spezialisten und nicht von einer lapidaren Unterschrift auf einem Fresszettel.

Etliche meiner andrologischen Kollegen haben kein Problem sich als „Signatur-Trottel“ instrumentalisieren zu lassen - ich habe nicht selten im kollegialen Dialog am Rande von Kongressen den Satz gehört, „der kriegt halt die Unterschrift und ist schnell wieder aus dem Laden raus, mit sowas verdiene ich sowieso kein Geld, ist ja alles EBM“.

Das ist unstrittig richtig, Aufwand und Umsatz halten sich hier keineswegs die Waage, liegen doch die Kosten für einen IVF/ICSI-Zyklus zwischen 3500 € und 5000 € (bei 50% Eigenanteil für das Paar). Unsere andrologische Untersuchung nebst ausführlicher Anamnese hingegen erlöst unter EBM-Bedingungen keine 40 €,  und da ist die Doppler-Sonografie der Hodengefäße schon eingerechnet - selbst wenn wir ein Spermiogramm draufpacken würden, welches mit beleidigenden 23,70 € vergütet ist, landen wir schlussendlich bei  ca. 70 € -  der Androloge ist mit ca. 2-3 % Anteil am Gesamterlös (nicht nur) im „IVF-Karussell“ der Billigheimer.

Ca. 20 % der niedergelassenen Urologen sind auch Andrologen -Tendenz fallend. In den frühen 2000er Jahren war die Zusatzbezeichnung Andrologie in einem schmalen Zeitfenster noch durch ein entsprechendes Kolloquium zu erwerben, heute liegen die Hürden für das Erlangen der Zusatzqualifikation mit 12 Monaten Weiterbildungszeit in Vollzeit entsprechend hoch, und bei der aktuell miserablen Vergütung andrologischer Leistungen im EBM, wie auch in der GOÄ, ist zu befürchten, dass die Andrologie mittelfristig vollständig aus dem ambulanten Setting unseres Fachs verschwinden, und nur noch an wenigen Zentren angeboten werden wird.

Das dürfen und sollten wir Urologen und Andrologen keinesfalls zulassen, denn wer ist besser geeignet sich um die hormonelle, fertile und erektile Gesundheit des Mannes  zu kümmern, als eine Urologin bzw. Urologe mit andrologischer Zusatzweiterbildung?

Die niedergelassene Andrologie hat, betriebswirtschaftlich gesehen, derzeit den Stellenwert eines Hobbys für Enthusiasten, sarkastisch formuliert „muss man sich Andrologie leisten können“. Um sie zukünftig weiter im ambulanten Angebot zu halten, braucht sie aber eine lukrative Vergütung und eine ausreichende Zahl an klinischen und ambulanten Weiterbildungseinrichtungen. Es bedarf eines Schulterschlusses zwischen DGA und der DGU in Zusammenarbeit mit dem BvDU um die Andrologie an diesen Fronten entsprechend zu positionieren und voranzubringen – es liegt einiges an Arbeit vor uns.

Herzlichst

Holger Uhthoff