Autor: |Veröffentlicht am 30. Mai 2023|Aktualisiert am 21. März 2024

Im Jahr der epochalen Umbrüche im Gesundheitswesen: Politprominenz auf Parlamentarischem Abend der DGU 2023

Berlin, 23.05.2023. Krankenhausreform, Ambulantisierung, Digitalisierung: Die aktuellen Reformen, die Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach vor dem Hintergrund leerer Kassen und fehlender Fachkräfte noch in dieser Legislaturperiode umsetzen will, werden ohne Übertreibung epochale Veränderungen mit sich bringen – sowohl in der Krankenhauslandschaft als auch in der ambulanten Versorgung, die einen erheblichen Teil der bisher stationär erbrachten Leistungen übernehmen soll. Und natürlich widmete die Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) ihren Parlamentarischen Abend 2023 diesen Herausforderungen und lud am 23. Mai zum Thema „Epochale Veränderungen im Gesundheitswesen – Transformationen und Chancen für die Urologie“ in das Haus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft ein. Mit Johanna Sell, Leiterin der Unterabteilung 21 „Gesundheitsversorgung, Krankenhauswesen“ im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), sowie Prof. Dr. Henriette Neumeyer, Stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V., hatte die DGU zwei hochrangige externe Referentinnen für diesen Abend in Berlin gewinnen können.

Im Kaisersaal der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft hieß DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Axel Merseburger gut 50 geladene Gäste willkommen. Dazu zählten, neben Funktionsträgern der Urologie, Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdB) und wichtige Gremienvertreter aus dem Gesundheitswesen wie der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried, und der Geschäftsführer des Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua), Björn Broge. Auch die Fachpresse war vertreten.

Prof. Merseburger dankte dem Auditorium für das große Interesse, allen voran Matthias Hauer, MdB, für die Schirmherrschaft der Veranstaltung und die Möglichkeit, in den ehrwürdigen Räumlichkeiten der Parlamentarischen Gesellschaft zu Gast sein zu dürfen. Am heutigen Abend wolle die FachgesellschaftProbleme der anstehenden Reformvorhaben, aber vor allem Lösungen am Beispiel des Zukunftsfaches Urologie aufzeigen.

Der Generalsekretär und Sprecher des Vorstands der DGU, Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, eröffnete die Reihe der Vorträge, der sich eine lebhafte Diskussionsrunde anschließen sollte. Prof. Michel stellte dem Auditorium Fach und Fachgesellschaft, mit derzeit 7400 Mitgliedern, vor und ließ in seinem Referat keine Zweifel, dass die Urologie den Willen zur Transformation hat, gut vorbereitet ist und deshalb als Vorbild fungieren kann.

„Fortschritte in der Urologie durch die technischen und medizinischen Innovationen sind vielseitig, wir haben die Miniaturisierung mit schonenden Eingriffen, wir individualisieren unser therapeutisches Vorgehen, wir sind breit vertreten in beiden Sektoren und haben sektorenübergreifende Therapiestandards. Die Urologie ist ein innovatives Zukunftsfach mit steigendem Versorgungsbedarf und kann ein Role Model sein für das, was ansteht“, so der DGU-Generalsekretär in seinem Fazit. Michel betonte zugleich: Die Digitalisierung müsse weiter vorangetrieben werden, das DRG-System, insbesondere die untere Grenzverweildauer, müsse verlassen und eine auskömmliche Vergütung für ambulante, krankenhausersetzende Operationen etabliert werden. Hybrid-DRGs seien bis jetzt nicht erkennbar. Außerdem müssten sich Patientenselbstverständnis und Selbstverantwortung verändern und ein „Transitional Care Model“ nach ambulanten Eingriffen für alleinstehende, betagte und hochbetagte Menschen eingeführt werden, so Michel weiter. Zur Vergütung ambulanter Operationen hatten die DGU und der Berufsverband der Deutschen Urologie (BvDU) jüngst bereits ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt, das eine für beide Sektoren gleiche auskömmliche Vergütung fordert, welche Hygiene-, Sach-, Vorhalte- und Strukturkosten beinhaltet.

DGU-Präsident Prof. Dr. Martin Kriegmair warnte in Berlin vor teils dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krankenhausreform auf die Kliniken und sah die Länder in der Pflicht, ihre Investitionsförderung wieder aufzunehmen. Zertifizierung und Mindestmengen müsse es auch aus seiner Sicht geben. Allem voran mahnte Prof. Kriegmair in seinem Vortrag schnelle Planungssicherheit für die Krankenhäuser sowie eine eigene Finanzierungstruktur für den ambulanten Sektor an.

Da der Nachwuchs eine, wenn nicht die zentrale Rolle bei der Sicherung der künftigen Gesundheitsversorgung spielt, thematisierte die DGU mit Dr. Samy Mahjoub die Zukunft des urologischen Nachwuchses. Was erwarten junge Urolog:innen von den anstehenden Reformen? Der Schatzmeister der Interessensvertretung von Assistenzärzten:innen in Weiterbildung zum Facharzt für Urologie in Deutschland, der German Society of Residents in Urology (GeSRU) e. V., brachte es auf den Punkt. Weiterbildung müsse auch in Zukunft attraktiv bleiben, das Weiterbildungscurriculum Urologie (WECU) weiterverbreitet, die Verbundweiterbildung gestärkt werden und die Ambulantisierung der Medizin müsse die Weiterbildung inkludieren. Darüber hinaus sei heute die Vereinbarkeit von Familie und Beruf entscheidend, um junge Ärzt:innen in der Patientenversorgung zu halten

Der mit Spannung erwartete Auftritt von Johanna Sell für das Bundesministerium für Gesundheit machte vor allem eines deutlich: Das politische Rad dreht sich derzeit extrem schnell. Tatsächlich gehe es um epochale Veränderungen, für die nur ein kleines Zeitfenster in dieser Legislaturperiode bestehe, so die Referentin. Das BMG befände sich in der Hochsaison der konzeptionellen Planung. Bezeichnenderweise tagte zeitgleich zum Parlamentarischen Abend der DGU die Bund-Länderrunde in einem sogenannten Kamingespräch, nach welchem sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach

zuversichtlich zeigte, bis zur Sommerpause ein konsentiertes Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vorlegen zu können. Nach einem Blick auf die geplanten Versorgungsgesetze zur Neugestaltung des ambulanten Bereichs mit niederschwelligen Gesundheitskiosken, Primärversorgungszentren, sogenannten Gesundheitsregionen und mehr kommunalen MVZ, hob die Leiterin der Unterabteilung 21 „Gesundheitsversorgung, Krankenhauswesen“ in ihrem Vortrag auf den sektorenübergreifenden Bereich ab und kündigte bis zum Sommer eine Lösung für die Hybrid-DRGs zur sektorengleichen Vergütung von Leistungen aus dem AOP-Katalog an – allerdings ohne dabei konkret zu werden. Hinsichtlich der aufgrund von Finanzierungslücken, Fachkräftemangel und notwendiger Qualitätsverbesserung unabdingbaren Krankenhausreform lobte Sell den großen gemeinsamen Willen aller Beteiligten. Eine Darstellung der ebenso komplexen wie strittigen Systematik von Krankenhaus-Leveln, Leistungsgruppen und Vorhaltevergütung folgte. Abschließend zeigte sich die Vertreterin des BMG zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf in der parlamentarischen Sommerpause geschrieben werde.

Zu guter Letzt blickte Prof. Dr. Henriette Neumeyer in ihrem Vortrag aus der Perspektive der Krankenhäuser auf das Reformjahr 2023. Auch die stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DGK) betonte, dass die Krankenhausreform zwingend notwendig sei und machte deutlich, dass die DKG konstruktiv an der Ausgestaltung mitarbeite. Dabei gäbe es Licht am Ende des Tunnels. Prof. Neumeyer konstatierte zugleich, dass es weiterhin keine Lösung für das grundsätzliche Finanzierungsproblem der Krankenhäuser gebe.  

In der anschließenden lebhaften Diskussion stand mit Johanna Sell erwartungsgemäß die Vertreterin des BMG im Mittelpunkt. DGU-Generalsekretär Michel drängte auf Antworten hinsichtlich der Hybrid-DRGs und bat, das Thema noch einmal mitzunehmen.  Warum nicht aus den vorhandenen DRGs die Übernachtungskosten herausrechnen?

Dringliche Fragen aus dem Auditorium galten dem Fachkräftemangel, der, wie DGU-Präsident Kriegmair warnte, alle Reformbemühungen zunichte machen könnte. In der Diskussion standen weiter eine mögliche Benachteiligung der Level I Krankenhäuser durch eine Veränderung der Patientenströme bis zu dem Appell, die Level zu streichen, darüber hinaus Mindestmengen und Ergebnisqualität. Prof. Michel dankte den externen Referentinnen schließlich für ihr Kommen und ihre fundierte Sachkenntnis und zeigte sich zufrieden, dass die Fachgesellschaften gut in die laufenden Abstimmungsprozesse einbezogen sind.

So unterstrich der Parlamentarische Abend der DGU 2023 den gemeinsamen Willen der beteiligten Handlungsträger zu grundlegenden Reformen, um die Qualität der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten und weiter zu verbessern, sowie ein lösungsorientiertes Ringen in der Sache. Dabei konnte die DGU demonstrieren, dass das Zukunftsfach Urologie gut für die kommenden epochalen Veränderungen aufgestellt ist. Offenbar wurde aber auch die Sorge, dass der extrem hohe Zeitdruck zulasten der Qualität der Reformen gehen könnte.

Fotos & Text: DGU-Pressestelle/Bettina Wahlers & Sabine Glimm & Dr. Holger Borchers
 

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