Autor: Redaktion|Veröffentlicht am 15. Dezember 2006|Aktualisiert am 21. März 2024

PSA Früherkennung beim Prostatakarzinom

09.06.2003 - Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Urologie zum Artikel Draisma et al. JNCI Juni 2003

Prof. Dr. med. Kurt Miller (DGU)

Die Früherkennung des Prostatakarzinoms – häufigster Tumor des Mannes – durch PSA Bestimmung ist in westlichen Ländern weit verbreitet, ihr Nutzen weiterhin in der Diskussion. Von den Kostenträgern und den Medien werden immer wieder Statements veröffentlicht, die suggerieren, dass der PSA Test eine nutzlose, gar gefährliche Angelegenheit ist, da das langsam wachsende Prostatakarzinom ohnehin bei den wenigsten Patienten zum Tode führt. Wissenschaftliche Publikationen wie der Artikel von Draisma et al. jetzt veröffentlicht im Journal of the National Cancer Institut gießen scheinbar Wasser auf diese Mühlen.

Was ist die Quintessenz dieser Veröffentlichung? Die Diagnose eines Prostatakarzinoms wird das PSA Screening um 10 Jahre vorverlegt und es werden im Durchschnitt 50 % sog „irrelevante“ Karzinome entdeckt. Die letztere Tatsache erscheint besonders dramatisch. Doch was sind solche irrelevanten Karzinome? Solche die in der (geschätzten) Lebensspanne des betroffenen Mannes ohne PSA Untersuchung nicht entdeckt worden wären. Wodurch wird die Lebensspanne eines betroffenen Mannes (im Alter zwischen 55 und 75 Jahren) bestimmt. Ganz offensichtlich nur „zur Hälfte“ durch sein Prostatakarzinom zur anderen Hälfte durch andere Erkrankungen (z.B. aus Herz-Kreislauf Bereich), die zum Tode führen können. Auch für solche Erkrankungen ist im übrigen eine „Früherkennung“ möglich und das Risiko für den individuellen Betroffenen ist ohnehin sehr schwer abschätzbar.

Sollen wir also aus der Tatsache, dass die Hälfte der bei einem PSA Screening entdeckten Prostatakarzinome „irrelevant“ sind die Schlussfolgerung ziehen, dass die Früherkennung durch PSA Bestimmung nutzlos und gefährlich ist? Nein. Auch die Autoren des Artikels tun dies nicht. Sie kommen lediglich zu der Schlussfolgerung, dass die Untersuchungsintervalle nicht jährlich sein müssen, sondern in längeren Abständen geschehen können. In einem „Editorial Comment“ zu diesem Artikel weißen die Herausgeber der Zeitschrift außerdem darauf hin, dass das mathematische Modell, auf dem die Informationen basieren, Limitationen hat, die jegliche Schlussfolgerung nur mit Vorsicht zulassen.

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie hat in ihren Leitlinien zur PSA Früherkennung, darauf hingewiesen, dass die Früherkennungsuntersuchung eine vom betroffenen initiierte Maßnahme ist (im Gegensatz zum Screening). Durch die frühzeitige Entdeckung und anschließende Therapie eines Prostatakarzinoms kann das Risiko des Betroffenen, an diesem Tumor zu sterben, reduziert werden. Das zeigen die Ergebnisse von Holmberg et al. im New England Journal of Medicine: durch die radikale Prostatektomie konnte die Prostatakarzinom spezifische Sterblichkeit um 50 % reduziert werden. Ein Mann im Alter zwischen 60 und 70 Jahren kann also aktiv entscheiden, ob er mit der Teilnahme an der PSA Früherkennung ein Risiko, an einer Krankheit zu versterben, reduzieren möchte. Ebenso steht es im natürlich frei, weitere Krankheits- und Todesrisiken durch Teilnahme an entsprechenden Untersuchungen (Koloskopie für Darmtumoren, Belastungs-EKG für Herzinfarkt etc.) zu erkennen und zu reduzieren.

Was sind die Nachteile, die er durch die Teilnahme an der PSA Früherkennung möglicherweise in Kauf nehmen muss. Dass sein „irrelevanter“ Tumor behandelt wird, und er an den Nebenwirkungen der Therapie leidet? Dass er durch die Diagnose Prostatakrebs in Angst und Schrecken versetzt wird? Das müssen keine automatischen Mechanismen sein. Diagnose heißt nicht automatisch Therapie. Bei entsprechender Aufklärung und genauen Kontrollen ist eine abwartende Strategie beim Prostatakarzinom in vielen Fällen eine reelle Alternative. Die Therapie bedingten Nebenwirkungen nach Operation und Bestrahlung haben durch permanente Verbesserung der Techniken erheblich nachgelassen. Und ist ein Erkennen, Kontrollieren und Abwarten nicht besser, als irgendwann von einem bereits fortgeschrittenen Krebsleiden überrascht zu werden? Angst und Schrecken in dieser Situation sind meist ungleich größer.

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) wird weiter daran arbeiten, dass Männer über die Möglichkeiten, Nutzen und Risiken der PSA Früherkennung aufgeklärt werden und damit die aktive Entscheidung zu Teilnahme treffen können. Die DGU ist der Ansicht, dass der Nutzen der Früherkennung die Risiken übertrifft. Überdiagnose muss nicht Übertherapie heißen und „Unter“diagnose (= zu späte Diagnose) führt häufig zum Tod. 10 000 Todesfälle durch Prostatakrebs pro Jahr in Deutschland müssen nicht hingenommen werden. Die PSA Früherkennung ist eine Möglichkeit, diese Zahl zu reduzieren.