Die Uro-Kolumne 09/2021

Autor: |Veröffentlicht am 20. Oktober 2021|Aktualisiert am 21. März 2024

Vor dem großen Wurf....

20.09.2021. 

Prolog

„Die zunehmende Inanspruchnahme des Gesundheitssystems durch komplexere Krankheitsbilder im demographischen Wandel und die sich dabei abzeichnende Verknappung der Ressourcen in einer sich stetig weiterentwickelnden Medizin zwingt die Akteure im Gesundheitssystem, in der kommenden Legislaturperiode massive Einsparungen zu realisieren. Unter Ausnutzung der Digitalisierung und den Optionen einer guten ambulanten Medizin, bei der der Patient im Mittelpunkt einer wohnortnahen innovativen Medizin steht, sollte dieses Ziel erreichbar sein“. So oder ähnlich begannen die unterschiedlichen Parteiprogramme, wohlwissend, das bereits in den letzten Jahrzehnten klar war, wohin die Entwicklung gehen würde.

Es besteht Handlungsbedarf

Seit mindestens zwei Jahrzehnten doktert das Ministerium für Gesundheit am Versorgungssystem herum, um die ehemals künstlich errichtete Mauer zwischen den Sektoren wieder durchlässiger zu machen. Öffnungsversuche für die Krankenhäuser hin zur ambulanten Versorgung durch vielfältige gesetzliche Reformen im Fünften Sozialgesetzbuch, u.a. durch die vor- und nachstationäre Versorgung, die Einräumung von Ermächtigungen und Hochschulambulanzen, der Erwerb von Vertragsarztsitzen für Kliniken und die Integration in ein MVZ nach § 95 Abs. 2 SGB etc. blieben erfolglos; ja selbst die Einbeziehung von Vertragsärzten zur direkten stationären Mit-Versorgung scheiterten aufgrund sozial- und strafgesetzlicher „Unschärfen“.  Auch die vielen durch den Innovationsfonds des g-BA seit 2016 geförderten Projekte konnten bislang keinen belastbaren Beitrag für die intersektoralen Versorgung liefern. Die letzte Bundesregierung schließlich setzte sogar eigens eine „Bund-Länderkommission“ ein, die „die Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen“ ausbauen sollte. Allerdings blieb auch diese Kommission ergebnislos; der große Wurf blieb also aus!

Und nun?

Während also Bund und Länder mit ihren mannigfaltigen gesetzgeberischen Bemühungen um eine nachhaltige Neustrukturierung der sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung krachend gescheitert sind und die Ausgaben explodieren, sehen sich nunmehr die Akteure des Systems selbst bemüßigt, ungefragt eine Vielzahl von Gutachten, Thesenpapieren, Analysen und Stellungnahmen vorzulegen. Gewünscht werden dabei übereinstimmend Versorgungsmodelle, die zunächst ambulant und wohnortnah eine primäre Betreuung der PatientInnen vor Ort vorsehen. Je nach medizinischer Notwendigkeit bzw. diagnostischem und therapeutischem Aufwand geht es dann weiter von dezentralen Einrichtungen aufsteigend über die erweiterte ambulante Versorgung („Campus-, Portal- oder Facharztkliniken“) hin bis zum Krankenhaus der Maximalversorgung. Zusätzlich verwirrend für den erkrankten Menschen sind dann noch die “Angebote” der Digitalisierung mit ePA, VSS, DiGAs, etc. zu nennen, ausgelöst durch eine diffuse, aber drängelnde Gesetzesflut durch das BMG. 

Alles, nur keine Belegärzte , bitte

In einem Punkt scheinen sich aber nahezu alle Player im Gesundheitssystem einig: Das Belegarztwesen – ein über Jahrzehnte bewährtes, im Ausland geschätztes, ressourcensparendes und integrierendes Versorgungsmodell, bei dem der Arzt seinen Patienten durch die Sektoren begleitet – soll fortan keine Rolle mehr spielen. 

Dabei sollte jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass es, um den hilfesuchenden und zudem auch noch kranken Menschen durch diese hoch komplexen „Hilfsangebote“ zu leiten, eines „Kümmerers“ oder schlicht eines Fachmanns von hoher Kompetenz und Kenner des Versorgungsstranges bedarf. Wer wäre an dieser Stelle besser geeignet als der Belegarzt, der seine Patient*innen kennt und sowohl ambulant, aber ggf. auch stationär durch das System führt, berät und behandelt? 

Fazit

Warum also nicht ein bewährtes, sektorenverbindendes Versorgungssystem erhalten und weiterentwickeln? Zum Grundsatz „So viel ambulant wie möglich, so wenig stationär wie unbedingt nötig“ gehört zwingend eine Ergänzung: „Wenn schon stationär, dann mit kontinuierlicher Versorgung über die Sektorengrenze hinweg“: Im günstigen Fall also kein Arztwechsel zwischen den Systemen, weniger unnötige Fragen, weniger lästige Doppeluntersuchungen sowie keinen Informationsverlust mehr durch einen mangelhaften Informationsaustausch. Genau das sind die Charakteristika der belegärztlichen Versorgungsstruktur. Und genau das ist es doch auch, was sich unisono alle für die sektorenübergreifende Versorgung wünschen.

Auf alle Fälle bis zum großen Wurf...... 

Herzlich

Ihr

Andreas Schneider