Die Uro-Kolumne 10/2022

Autor: |Veröffentlicht am 18. November 2022|Aktualisiert am 21. März 2024

Götterdämmerung – oder nur des Kaisers neue Kleider?

20.10.2022. Der erste DGU-Kongress im „Vollzeug“ nach den hybriden Flaute-Dümpeleien stand wahrlich unter einem guten Stern – der Himmel strahlte im Hamburger Blau über der durch ihre Anbindung an die Ozeane einzigen echten deutschen Weltstadt und im neu aufgehübschten Congress Centrum präsidierte die erste Präsidentin einer prall gefüllten urologischen Gemeinde gut gestimmter, fast fröhlicher Kolleg*innen in gelöster Atmosphäre.

Auch das hochkarätige Programm vermittelte inhaltlich eine ambitionierte Aufbruchstimmung nach knapp drei Jahren kommunikativer Dürreperiode. Alle kamen, sahen und freuten sich über die unschlagbaren persönlichen Kontakte statt zweidimensionaler Verarmung zwischenmenschlicher Emotionen: digital bleibt zweite Wahl, der Mensch gehört noch nicht zum alten Eisen und eine haptische Umarmung schlägt – gottlob – eben doch fast amourös die seelenlose, hochgesungene Tastaturaffinität.

Einzig die – hoffentlich lediglich durch überlagernde Euphorie - ausgeblendete ärztliche Ratio über ein global-virales Risiko vergällte den äußerlich süßen Wein. Selbst die durch rücksichtslos-tumbe Impfignorant*innen bedingten steigenden Infektionszahlen mit 150.000 Toten in unserem Land bei stabilen 150 Covid-Sterbenden pro Tag konnten 7000 Ärzt*innen nicht überzeugen, sich des wirksamsten Infektionsschutzes einer Maske zu bedienen. Schade – so habe ich mir in der Sonne vor dem Eingang ein Alibi-Zitat hergesucht: „Schwächen machen liebenswert“.

Für einen hohen Unterhaltungswert sorgte unerwartet die DGU-Mitgliederversammlung. Im Rahmen der eher üblich drögen Tagesordnung tat sich plötzlich eine fast slapstickartige Szene auf: turnusmäßig stand die Wahl von vier nichtständigen Ausschußmitgliedern an. Wie üblich, waren die Wahlen schon lupenrein demokratisch im Konklave hinter verschlossenen Türen gelaufen, daraus stieg dann weißer Rauch für vier Herren auf. Fast niemand hätte Notiz davon genommen, weil man sich schon auf einen vergnüglichen kulinarischen Abend eingestellt hat – hätte da nicht plötzlich die Frage einer engagierten, prominenten Urologin den Boden der Vorstandsbühne geöffnet: „Wieso sind da denn alles Männer gewählt?“ Volltreffer! Die Minen der Würdenträger entgleisten ins Unverbindliche. So habe ich mich als Kind gefühlt, wenn Mama mich beim Naschen von „After Eight“ aus Papas Schublade ertappt hat. Nach einer endlos sekundenlangen Pause antwortete unser General „Daran hat wohl keiner gedacht.“ Mein innerliches Vergnügen erklomm spontan heimliche Höhen – besser als eine englische schwarze Humoreinlage. So ernst ist das also unserer ehrheischenden Männerdomäne mit der Begeisterung für Gender-Balance. Erwischt, liebe Kollegen…Es ist noch ein weiter Weg. Frauen sind stärker, Frauen sind klüger, Frauen leben länger. Wann endlich lernen wir das?

Wie komme ich nun auf Wagners fulminantes Musikepos?

Leitstrahl der „Götterdämmerung“ ist der Untergang der Götter im Weltenbrand, aus dem eine schönere Welt hervorgeht. Als Hagen die heranschwimmenden Rheintöchter erblickt, stürzt er sich mit dem Ruf: „Zurück vom Ring!“ in die Flut. Doch die Rheintöchter ziehen ihn in die Tiefe. In einem hellen Feuerschein am Himmel sieht man das brennende Walhall. Als die Götter von den Flammen gänzlich verhüllt sind, fällt der Vorhang.  

Und des Kaisers neue Kleider? Sicher erinnern Sie sich an das Märchen von Hans Christian Andersen, in dem der Kaiser von zwei Frauen auf leeren Webstühlen neue Kleider gesponnen bekommt, die man angeblich nicht sehen kann und alle dazu applaudieren, obwohl er keine trägt. Erst ein Kindermund tut Wahrheit kund: „Der Kaiser hat ja garnichts an !“

Und die Moral von der Geschicht? Trau niemals weisen Männern nicht oder: Wer niemals auf die Erde schaut, übersieht auch die Bananenschale.

Wie heißt es doch? „Schwächen machen liebenswert.“ Noch Fragen?

Herzlich

Ihr

Wolfgang Bühmann