Die Uro-Kolumne 11/2022

Autor: |Veröffentlicht am 20. Dezember 2022|Aktualisiert am 21. März 2024

Digitalisierung, Plattformen, Entscheidungshilfen, KI, Telemedizin

20.11.2022. Diese Ankündigung verhieß auf unserem ansonsten sehr erfolgreichen Jahreskongress eine aus den Nähten platzende Sitzung. Was sollten die Sitzungsteilnehmer hören? Die Entwicklung klinischer Algorithmen, eine Spracherkennung auch bei komplexer urologischer Nomenklatur, das Lesen der MRI-Prostatabilder, Telematikinfrastruktur, Datensammlung und -verwertung. Dazu kam es leider nicht, auch wenn einzelne Beiträge, vorwiegend aus Universitätskliniken, von bis zu 10 Autoren getragen wurden. Das Gegenteil war der Fall, was zu dem Schluss führt, dass wir Urologen noch nicht von den Daten-Musen geküsst (FAZ vom 30. 9. 22) sind. Der notwendigen Datensolidarität stehen noch viele Fax-Geräte im Wege, so dass vom hemmenden Klein-Klein zwischen den dem Fortschritt zustrebenden Abteilungen und Kliniken die Rede war. Wenn auch Urologen seit vielen Jahrzehnten über „digitale“ Erfahrungen verfügen, der digitalen Gesundheitsinformation bis hin zur Einführung eines KIS mit Spracherkennung hilft das nicht. In der Sitzung wurden zwar von Referenten aus Hamburg, München, Freiburg etc. Ansätze genannt, ohne dass jedoch das gute Kongress-Niveau erreicht werden konnte. Wäre da nicht am Schluss ein Beitrag aus Sylt gewesen. Was ist aus Schlick und Wattenmeer zu erwarten? Was hat der Urologe W. Bühmann auf Sylt mit einem „Telemedizin-Übersichtsvortrag“ in dieser Sitzung zu suchen? Was kann er einem  erwartungsfrohen Publikum zu diesem Zukunfts-Thema mitteilen? Diese Frage quälte uns, die wir wissen wollten, was der nördlichste Insel-Urologe Deutschlands zu diesen Zukunftsthemen zu sagen hat. Wir erfahren von  ihm,   wie die Telemedizin die administrativen Wege verkürzt, wie Zeit bei der ärztlichen Versorgung gewonnen und Flexibilität erhöht werden kann. Der persönliche Kontakt zum Arzt bleibt erhalten - aber von zu Hause aus. Das Wartezimmer leert sich, denn Warten ist unproduktiv und eine vernetzte Versorgung wird in schwierigen Fällen zu ambulanten Kolleginnen und Kollegen und zum Krankenhaus sichergestellt. Bühmann nimmt die digitalen Möglichkeiten wahr, über die wir bereits verfügen können:  online-Terminvereinbarung, Videokonsultation, digitaler Behandlungsplan, E-Rezept sowie digitale Verordnungen und Überweisungen. Er sieht zahlreiche Indikationen in der Urologie, die u. a. von der Tumorkonferenz über die Beratung bei Blasenentleerungsstörungen oder bei Harninkontinenz reichen und auch Behandlungen ermöglichen wie die von komplizierten und unkomplizierten Harnwegsinfektionen, LUTS und BES. Es kann ärztlich über alles beraten werden, was nicht der Haptik oder einer instrumentellen Prozedur bedarf. Wir lernen Bühmanns Kooperation mit MEDGATE, einem Anbieter von digitaler Gesundheit kennen, der mit der Offerte wirbt „Wir bringen den Arzt dahin, wo Sie ihn brauchen und setzen dazu auf Digital Health-Lösungen. Erfahren Sie, wie wir Ihnen rund um die Uhr helfen können.“ Am Schluss gab Bühmann ein eindrucksvolles Beispiel davon, wie er mit Einsatz der Telemedizin helfen konnte. Er berichtet über den Anruf eines 39-jährigen Schweizer Bürgers, der auf Surabaya/Indonesien seinen Urlaub verbringt und dort seit 3 Tagen mit Fieber 39 Grad und Schüttelfrost erkrankt ist. B. erfragt die Vorgeschichte, vermutet eine Urosepsis, organisiert einen Transfer mit einem Kleinflugzeug in das Spital der Nachbarinsel. Dort ergeben die Blutuntersuchungen hohes CRP und Leukopenie. Sonographie und Bildgebung weisen eine Harnstauungsniere links bei einem okkludierenden hohen Ureterstein nach. Nach Nephrostomie entleert sich putrides Sekret. Der Patient erholt sich unter hochdosierter Antibiose und wird nach Erholung zur Steinsanierung in die Schweiz verlegt.   Telemedizin ist ein Teilbereich der Telematik im Gesundheitswesen und bezeichnet Diagnostik und Therapie unter Überbrückung einer räumlichen oder auch zeitlichen Distanz zwischen Patient und Arzt, Apotheker oder sonstigen Therapeuten bzw. zwischen zwei sich konsultierenden Ärzten mittels Telekommunikation. Der Vortrag hat uns gezeigt, wie Entfernungen zwischen Sylt und Indonesien oder auch bei uns im ländlichen Raum überwunden werden können.

Die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin gibt es seit 2005.

Herzlich

Ihr

Lothar Weißbach