Die Uro-Kolumne 07/2023

Autor: |Veröffentlicht am 21. August 2023|Aktualisiert am 21. März 2024

Neue Bescheidenheit

20.07.2023. Alle Jahre wieder um diese Zeit beginnen die Hohnorarverhandlungen (kein Schreibfehler) zwischen KBV und Krankenkassen. Spätestens im September steigt dann grüner giftiger Rauch in Berlin auf, wahrscheinlich wird Herr Wasem wieder einmal im Rahmen eines Schlichtungsspruch die Rauchkerze anzünden. Unsere Verhandlungsführer haben dann einmal mehr bewiesen, dass Rückgrat in Verhandlungen zu haben eher hinderlich ist, obschon der KBV-Vorsitzende qua fachärztlicher Weiterbildung in Orthopädie um die Bedeutung dieser tragenden Knochenstruktur wissen müsste. Sie werden zerknirscht in die Kameras schauen, vielleicht waren die Lachs-Häppchen nach den langen Verhandlungen auch nicht mehr ganz frisch, und uns Demut heuchelnd verkünden, dass mehr als 0,x Prozent Steigerung des Orientierungspunktwertes einfach nicht drin war. In diesem Moment schaut der Niedergelassene neidisch auf die 8,8 % die der Marburger Bund dieses Jahr für sein Klientel erstreiten konnte, über die Lohnsteigerungen in anderen Branchen schweige ich mich zwecks Schonung Ihrer Koronarien aus.

Diese marginale Erhöhung unserer Vergütung ist aber doch kein Beinbruch liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir ja in einer von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelten Blase leben, spielen Inflation, Kostensteigerungen und Tariferhöhungen bei unseren MFA’s auch keine Rolle und wenn wir dann noch an tröstliche Sätze der Sozialgerichtsbarkeit denken, die zum einen postulierte, dass Kassenärzte keinen Anspruch darauf hätten, dass jede erbrachte Leistung kostendeckend sein muss und uns darüber hinaus noch ins Stammbuch schrieb, dass eine kassenärztliche Tätigkeit ihrer Natur nach nicht auf Gewinnerzielung ausgelegt sei, ist doch unsere Welt wieder und immer noch in Ordnung – die Querfinanzierung über Privatmedizin bietet sicher noch Reserven, die es im Sinne des Gemeinwohls zu heben gilt. Schnallen wir den Gürtel noch etwas enger, noch mehr Bescheidenheit ist das Gebot der Stunde – am Ende wir alles gut!

Eben diese Bescheidenheit erwarte ich aber auch von unseren Patienten.

Der Patient darf sich zukünftig auf die Vorgaben des fünften Sozialgesetzbuchs „bescheiden“, hier gibt der Gesetzgeber den Rahmen für den Umfang der Patientenversorgung vor, indem er festlegt, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen, aber das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen.

Diese neue Bescheidenheit, dass z. B. bei der simplen BPH-Kontrolle unter Alpha-Blocker-Therapie, nicht mehr routinemäßig eine Urinkontrolle und Sonografie des oberen Harntraktes erfolgt, wird unsere Patienten durchaus verwirren und auch verärgern.

Den sich daraus ergebenden Dialog gilt es einfach auszuhalten. Mithin steht dem besorgten Patienten dieses Angebot immer noch zur Verfügung, es ist eben nur nicht mehr im gesetzlichen „all-inclusive-Paket“ enthalten. Die Beschränkung auf den gesetzlichen Leistungskatalog ist ein erster, aber wichtiger Schritt, um unsere Umsätze durch mehr Einnahmen aus Wahlleistungen wenigstens einigermaßen stabil zu halten. Ich erinnere nochmals, wir halten uns damit nur an Bedingungen, die der Gesetzgeber vorgegeben hat, und bitte, wir sollten hier nicht über die finanzielle Leistungsfähigkeit des einzelnen Patienten oder Gerechtigkeit sinnieren. Soziale Gerechtigkeit, wie auch der Ausgleich sozialer Härten, sind einzig und allein Aufgabe des Staates – wir sind nicht St. Martin oder Robin Hood.

Bei ehrlicher Betrachtung werden jedoch viele von uns diese vermeintliche „Härte“ nicht an den Tag legen können (oder wollen). Der innere Konflikt im Angesicht des Patienten „mache ich diese Diagnostik auch noch, oder nicht“, und das dann auch noch dem Gegenüber zu kommunizieren, wird herausfordern, ja überfordern und schlussendlich bliebe alles beim Alten mit der Konsequenz, im gesetzlich versicherten Bereich in eine noch stärkere betriebswirtschaftliche Schieflage zu geraten – irgendwann wird das auch mit PKV-Einnahmen nicht mehr kompensierbar sein. Aus meiner Sicht könnte eine Art „WANZ-Leitlinie“ durchaus hilfreich sein, die unter strenger Beachtung des §12 SGB V, unter medizinisch- wissenschaftlichen, genauso aber auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten festlegt, welche Diagnostik und Therapie bei den einzelnen urologischen Krankheitsbildern innerhalb der WANZ-Kriterien zu verorten ist, und was über deren Maß hinausgeht. Vielleicht eine Idee für ein gemeinsames Projekt von DGU und BvDU?

Herzlichst

Holger Uhthoff