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Wiederherstellung der Beeinflussbarkeit des unteren Harntraktes durch intraspinale Nervenastomose
Abstract
Sievert K.-D. (1), Winter B. (*1), Amend B. (1), Anastasiadis A.G. (1), Badke A. (*2), Kaps H.P. (*2),
Tatagiba M. (*2), Stenzl A. (2)
(1) Universitätsklinikum Tübingen, Urologische Klinik, Tübingen, Germany
(2) Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
Einleitung: Gegenwärtig kann in bestimmten Fällen die neurogene spastische Blase nach Rückenmarksverletzung durch die Implantation eines Nervenstimulators mit gleichzeitiger Deaffenenzierung der sakralen Wurzel S2 bis S4 behandelt werden. Das Video zeigt eine neue Technik mit Bildung eines Haut-Rückenmark-Blasen-Reflexbogens zur Miktion nach komplettem Querschnitttrauma. Die Anastomose zwischen den efferenten Vorderwurzeln L5 und S3 scheint die willkürliche Blasenentleerung, sowie eine physiologische Blasenkapazität zu ermöglichen.
Material und Methoden: Basierend auf einer Publikation (J Urol 170: 1237-41, 2003) wurde bei 4 Patienten eine Nervumleitung L5-S3 durchgeführt. Die Technik wurde intraoperativ mittels Urodynamik, sowie eine elektrophysiologische Untersuchungseinheit zur neurophysiologischen Testung modifiziert. Nach Hemilaminektomie von L5 werden die Vorderwurzeln von L4 bis S3 dargestellt. Die intradurale Elektrostimulation von S3 bewirkt einen Blasen- und Sphinkterdruckanstieg bzw. für L5 die ipsilaterale Muskelkontraktion. Nach der Identifizierung der korrekten Vorderwurzeln erfolgt nach Durchtrennung die End-zu-End-Anastomosierung der entsprechenden efferenten Wurzelanteile mittels 10.0 resorbierbaren Nähten. Die Operation endet mit einem wasserdichten Dura- und einem dreischichtigen Wundverschluss.
Ergebnisse: 12 Monate nach Operation zeigt die urodynamische Kontrolle eine physiologische Blasenkapazität ohne Detrusorkontraktion ohne die Einnahme von Anticholinergika. Zudem konnte eine willkürliche Entleerung durch kutane Elektrostimulation des entsprechenden Dermatoms erzielt werden. Bei linksseitiger Anastomose wurde eine gleichzeitige bessere Darmmotilität beobachtet.
Diskussion: Eine einfache mikrochirurgische Technik mit minimalen Risiken verbessert die Lebensqualität von Querschnittverletzten signifikant. Die Weiterentwicklungen der Technik mit selektiverer Nervenwurzelanteilauswahl könnte eine spezifische Therapie auch bei inkomplettem Querschnitt darstellen.