Autor: Pressestelle DGU/BvDU|Veröffentlicht am 03. August 2016|Aktualisiert am 21. März 2024

Urologen nehmen Stellung zu AOK-Klinikvergleich: Routinedaten methodisch nicht zur Qualitätssicherung geeignet

Düsseldorf, 02.11.2015. Der Ende Oktober veröffentlichte AOK-Klinikvergleich zu Prostataoperationen bedarf aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) einer kritischen Auseinandersetzung: Die DGU begrüßt grundsätzlich alle Bemühungen um eine transparente Darstellung von Qualitätsparametern in der Medizin, die zur Verbesserung der Ergebnisqualität für die betroffenen Patientinnen und Patienten führen. Die vom AOK Bundesverband veröffentlichten QSR-Daten (Qualitätssicherung mit Routinedaten) zu Prostataoperationen müssen hinsichtlich der methodischen Details, der ausgewerteten Komplikationsarten und der daraus möglichen Schlussfolgerungen jedoch deutlich differenzierter betrachtet werden, um Patienten vor Fehlinterpretationen und falschen Entscheidungen für oder gegen eine Klinik zu bewahren.

„So existieren für die Operationen der gutartigen, wie auch der bösartigen Prostataveränderung jeweils sehr verschiedene Operationstechniken. Die von der AOK publizierte Qualitätsauswertung unterscheidet jedoch nicht nach minimal-invasiven oder offenen OP-Techniken und dabei auch nicht zwischen den jeweils völlig verschiedenen Verfahren“, stellt DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Oliver Hakenberg fest. „Die verschiedenen Operationsmethoden gehen aber mit unterschiedlichen Folgen einher, die nicht notwendigerweise als Komplikationen gewertet werden müssen.“

Ein Beispiel hierfür ist die Transfusionsrate: Diese ist bei der radikalen Prostatektomie abhängig vom Operationsverfahren durchaus unterschiedlich, ohne dass hiervon das onkologische oder funktionelle Ergebnis beeinflusst wird. Ebenso ist bekannt, dass ein nerverhaltendes operatives Verfahren, welches dem Erhalt der Erektionsfähigkeit dient, mit einem höheren Blutverlust einhergeht als ein nicht nerverhaltendes Operationsverfahren. „Die wissenschaftlich anerkannten Ergebnisqualitätsparameter Kontinenz- und Potenzerhalt werden in dem hier publizierten Verfahren nicht berücksichtigt, da sie mit der Methodik nicht erfassbar sind“, so der Generalsekretär.

Als weitere Komplikationsart nennt der AOK-Klinikvergleich die Reintervention. „Die hier berichteten Unterschiede in den Prozentzahlen lassen nur sehr eingeschränkt den Schluss zu, dass dies auch mit Qualitätsunterschieden einhergeht, denn eine Reintervention kann durchaus auch zur Verhinderung einer größeren Komplikation notwendig werden und würde in einem solchen Fall zu Unrecht als stattgehabte Komplikation gerechnet“, führt DGU-Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing an.

Auch bestehen bei den analysierten Kliniken erhebliche Unterschiede in der Fallzahl. Prof. Wülfing: „Ob eine erhöhte Fallzahl auch mit einer erniedrigten Komplikationsrate und damit mit einer höheren Qualität einhergeht, bleibt dabei aber spekulativ. Die Unterschiede in den strukturellen Gegebenheiten, den Patientenkollektiven und ihren Komorbiditäten und nicht zuletzt auch in der Kodierqualität der verschlüsselten Daten sind ein systemimmanentes und ungelöstes Problem. All diese Faktoren können zur erheblichen Verfälschungen der Qualitätsdaten und damit zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen.“

Außerdem gibt die DGU ein grundsätzliches Problem des AOK-Klinikvergleichs zu bedenken. „Hier werden aus dem Instrument ‚Abrechnungsdatenerhebung‘ Informationen über Komplikationen extrahiert. Das Instrument der Kodierung von DRGs und OPS-Codes (Operationen- und Prozedurenschlüssel) wurde aber ausschließlich zur Abrechnungserhebung entworfen. Es ist methodisch deshalb eigentlich völlig unzulässig, daraus qualitätssichernde Komplikationsdaten ableiten zu wollen“, sagt Prof. Dr. Kurt Miller, Präsident der DGU. Dafür gebe es andere und wesentlich bessere Instrumente, die aber für die Zwecke der Abrechnung mit den Kostenträgern nicht angewendet werden. „Bei der Abrechnungserhebung kann nur sehr unvollständig und indirekt ein Teilaspekt von komplikativen Verläufen eingesehen werden. Es fehlt zum Beispiel jegliche Gradierung von Komplikationen nach Schweregrad. Auch können Komplikationen ohne Betrachtung der Komorbidität überhaupt nicht sinnvoll interpretiert werden“, so Prof. Miller weiter. Die von der AOK publizierten QSR-Daten können daher nur ein falsches Bild ergeben, wenn eine qualitätsorientierte Komplikationsanalyse angestrebt wird. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. plädiert deshalb für eine Weiterentwicklung der zur Verfügung stehenden Qualitätsinstrumente und eine differenzierte Betrachtung der für den Patienten relevanten Ergebnisqualitätsparameter.

 

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