S3 Leitlinie Nierenzellkarzinom 2015

Kapitel 12: Rehabilitation und Nachsorge

Autor: |Veröffentlicht am 27. September 2016|Aktualisiert am 21. März 2024

Kapitel 12.2: Nachsorge nach Lokaltherapie des Primärtumors im nicht fernmetastasierten Stadium

12.7 Konsensbasierte Empfehlung
EK  Die Nachsorge nach Primärtumortherapie im nicht fernmetastasierten Stadium soll risikoadaptiert erfolgen

Konsens

12.8 Konsensbasiertes Statement
EK Neben der pT- und der pN-Kategorie sowie dem Grading definieren Art der Therapie (Resektion vs. ablative Techniken) und R-Status die Zuordnung in verschiedene Risikogruppen hinsichtlich der Nachsorge.

Starker Konsens

12.9 Konsensbasierte Empfehlung
EK

Zur risikoadaptierten Nachsorge von Patienten nach Lokaltherapie des nicht-fernmetastasierten Nierenzellkarzinoms sollten angeboten werden:

Klinische Untersuchung

  • Bestimmung von Laborparametern
  • CT/MRT Abdomen und Becken unter Einbeziehung des Knochenfensters
  • Sonografie

Starker Konsens

12.10 Konsensbasierte Empfehlung
EK Das PET-CT, Schädel-CT und -MRT, konventioneller Rö-Thorax sowie dei Skelettszintigrafie haben in der Routine-Nachsorge von symptomatischen Patienten keinen Stellenwert.

Konsens


Hintergrund

Die Entwicklung neuer therapeutischer Optionen in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass sich auch die Nachsorgestrategien nach Primärtumortherapie verändert haben.

Ziele der Tumornachsorge sind:
• Detektion von Lokalrezidiven nach nierenerhaltender Chirurgie bzw. ablativen Techniken,
• Rezidiven in der kontralateralen Niere,
• Fernmetastasen
• Beurteilung der Nierenfunktion
• Erfassung von Komplikationen der Primärtherapie

Eine Vielzahl von Publikationen hat sich in den vergangenen Jahren mit der Nachsorge nach Primärtherapie von Nierenzellkarzinomen auseinandergesetzt. Prospektive Studien zu Nachsorgekonzepten wurden nicht berichtet, ein allgemeiner Konsens nicht erreicht.

Die Nierenteilresektion hat sich in den vergangenen Jahren zum Standard für alle technisch so operablen Primärtumoren entwickelt. Insgesamt demonstrieren publizierte Arbeiten für die Nierenteilresektion bei lokal begrenzten Nierenzellkarzinomen der Stadien pT1a und pT1b identische onkologische Sicherheit bei verbessertem Nierenfunktionserhalt und Gesamtüberleben gegenüber der Tumornephrektomie [236, 237, 653, 654]. Ein minimaler Sicherheitsabstand von bis zu < 1 mm erscheint dabei als ausreichend. Lokal fortgeschrittene Tumoren der Stadien pT2 sowie pT3a bzw. eine histologisch formale R1-Resektion erhöhen das Lokalrezidivrisiko bei analogem Metastasierungsrisiko und Gesamtüberleben. Diese Patienten benötigen eine intensivierte postoperative Tumornachsorge, profitieren aber ebenfalls hinsichtlich Lebensqualität und kardiovaskulärer Morbidität vom Nierengewebserhalt. Lokalrezidive nach Nierenteilresektionen treten in weniger als 5 % der Fälle auf. Ihre frühzeitige Diagnose ermöglicht in vielen Fällen ein erneutes nierenerhaltendes Vorgehen [655].

Die Nachsorgeintensität ist anhand des Progressionsrisikos individuell festzulegen. Dabei gilt die Nierenteilresektion bei Tumoren der Stadien pT1a/b N0 wie bereits beschrieben als absolut gleichwertig mit der radikalen Tumornephrektomie und erfordert keine intensivierte Nachsorge [656]. Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren bzw. nach ablativen Therapieverfahren ist eine intensivierte Nachsorge zu empfehlen.

In der metastasierten Situation kann eine frühzeitige Diagnose die Chance einer chirurgischen Resektion von Metastasen verbessern. Jedoch weisen nur etwa 5 % aller Patienten mit Metastasierung eines Nierenzellkarzinoms solitäre bzw. oligolokuläre Befunde auf, die einer Metastasenchirurgie zugänglich wären [657]. Prognostisch relevant ist dabei ein Zeitintervall von mindestens 1 Jahr zwischen Primärtherapie und Metastasierung. Patienten mit früher Metastasierung profitieren weniger vom metastasenchirurgischen Vorgehen [658].

Seit 2005 haben verschiedene Arbeitsgruppen Scoringsysteme entwickelt, um das Rezidivrisiko und –lokalisation abzuschätzen [83, 91, 96, 99]. Basierend auf diesen inzwischen validierten Scoringsystemen wurden durch verschiedene Arbeitsgruppen zum Teil detailliertere Nachsorgeempfehlungen erarbeitet [78, 659, 660].


Tabelle 26: Definition der Risikogruppen in der Nachsorge nach Lokaloperation eines Nierenzellkarzinoms

Risikogruppe

Charakteristika

Low risk (geringes Risiko)

pT1a/b cN0 cM0 G1-2

Intermediate risk (mittleres Risiko)

pT1a/b cN0 cM0 G3

pT2 c/pN0 cM0 G1-2

ablative Therapie bzw. R1-Situation eines ansonsten low risk Karzinoms 

High risk (hohes Risiko)

pT2 c/pN0 cM0 G3

pT3-4 u./o. pN+


Neben der klinischen Untersuchung bildet die Bestimmung von Routine-Laborparametern (Blutbild, Kreatinin, CRP bzw. BSG, vor CT mit Kontrastmittelgabe TSH) die Basis der Tumornachsorge. Diese dienen der Beurteilung der Nierenfunktion sowie der Vorbereitung einer Schnittbilddiagnostik. Spezifische Tumormarker sind für das Nierenzellkarzinom nicht verfügbar, ein Anstieg unspezifischer Entzündungsparameter kann jedoch Hinweise auf die Entwicklung einer metastasierten Erkrankung geben.

Die Skelettszintigraphie, PET/CT und MRT/CT Schädel erscheinen in der Tumornachsorge - auch bei Hochrisikopatienten - nicht regulär gerechtfertigt. Beim Nachweis jeglicher Metastasierung bzw. klinischem Verdacht auf ossäre Metastasen sollten weiterführende Untersuchungen (entsprechend Kapitel 4) veranlasst werden.

Eine Sondersituation bildet der Zustand nach Nierenteilresektion komplexer Tumoren. Häufig ist nach Versorgung ausgedehnter bzw. zentraler Resektionsdefekte an der Niere die sonographische, aber auch die schnittbildbasierte Differenzierung narbiger Veränderungen von Rezidivtumoren erschwert. Im klinischen Alltag hat sich eine CT oder MRT im Intervall von 8-12 Wochen nach Nierenteilresektion als Basisuntersuchung und Referenz für spätere Befundbeurteilung als hilfreich erwiesen. Die Indikation zu dieser Untersuchung sollte vom Operateur in Abhängigkeit vom intraoperativen Situs gestellt werden und entsprechend der Sonderkennzeichnung (x) im Nachsorgeschema integriert werden.


Tabelle 27: Empfehlung zum Nachsorgeplan für Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko

3 Monate 6 Monate 12 Monate 18 Monate 24 Monate 36 Monate 48 Monate 60 Monate
Klinische Untersuchung x x x x x x x x
Laborwertkontrolle x x x x x x x x
Sonographie Abdomen x x x x   x   x
CT Thorax     x   x   x  
CT Abdomen (x)       x   x  


Tabelle 28: Empfehlung zum Nachsorgeplan für Patienten mit mittlerem Rezidivrisiko

  3 Mo   6 Mo  12 Mo  18 Mo  24 Mo  36 Mo  48 Mo  60 Mo  84 Mo 108 Mo
Klinische Untersuchung x x x x x x x x x x
Laborwertkontrolle x x x x x x x x    
Sonographie Abdomen x x
x x x x
   
CT Thorax   x x   x x x x x x
CT Abdomen (x)   x  
x
x x x


Tabelle 29: Empfehlung zum Nachsorgeplan für Patienten mit hohem Rezidivrisiko

  3 Mo   6 Mo  12 Mo  18 Mo  24 Mo  36 Mo  48 Mo  60 Mo  84 Mo 108 Mo
Klinische Untersuchung x x x x x x x x x x
Laborwertkontrolle x x x x x x x x    
Sonographie Abdomen x (x)
x
x x
   
CT Thorax   x x x x x x x x x
CT Abdomen (x) (x) x   x

x x x