Entscheidungshilfe Prostatakrebs: Nutzen für Patienten, Ärzte und Versorgungsforschung

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Prof. Dr. Dr. Johannes Huber, FEBU
Oberarzt
Klinik und Poliklinik für Urologie
TU Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
E-Mail: johannes.huber(at)uniklinikum-dresde

Informationen zur Entscheidungshilfe Prostatakrebs
Autor: Redaktion|Veröffentlicht am 03. Februar 2016|Aktualisiert am 21. März 2024

Von Johannes Huber
Klinik und Poliklinik für Urologie, TU Dresden
PatientenAkademie der Deutschen Gesellschaft für Urologie

Dresden, 02.02.2016. Beim lokalisierten Prostatakarzinom muss sich der Betroffene auf dem Weg zu einer guten Behandlungsentscheidung über seine persönlichen Prioritäten klar werden. Der behandelnde Urologe vermittelt hierfür wichtige Informationen und berät individuell. Für die große Mehrheit der Patienten ist es dabei ganz selbstverständlich, sich zusätzlich selbst kundig zu machen. Sehr häufig informieren sie sich dabei im Internet. Um die großen Chancen der neuen Medien aktiv zu nutzen und gleichzeitig ein Korrektiv zu zweifelhaften Angeboten zu schaffen, ist die Entwicklung evidenzbasierter und innovativer Patienteninformationen essentiell.

Hierfür haben sich im angelsächsischen Raum computergestützte Entscheidungshilfen bewährt, die eine Personalisierung der Informationen ermöglichen. In einer systematischen Übersichtsarbeit stellte unsere Arbeitsgruppe fest, dass bislang kein deutschsprachiges Instrument zum lokalisierten Prostatakarzinom existiert (Groeben et al. 2014, Urologe 53: 854-64). Dies ist umso bedauerlicher, weil deutsche Urologen dieses Konzept eigentlich breit unterstützen. Eine aktuelle Umfrage unserer Arbeitsgruppe unter 464 Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) und des Berufsverbands der Deutschen Urologen e.V. (BvDU) konnte dies belegen: Unabhängig vom Alter und Berufsumfeld befürworteten 89% eine geteilte Entscheidungsfindung und 77% würden ihre Patienten zur Nutzung einer Entscheidungshilfe motivieren. Im Vergleich zu einer kürzlich publizierten Umfrage unter US-amerikanischen Urologen und Strahlentherapeuten findet sich damit in Deutschland eine deutlich höhere Akzeptanz von Entscheidungshilfen für Patienten.

Entsprechend entwickelt unsere Arbeitsgruppe unter dem Dach der PatientenAkademie der DGU eine interaktiv personalisierte Entscheidungshilfe für Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom. Dienstleister zur technischen Realisierung dieser „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“ ist die Firma ASD Concepts. Ihre Erstellung und Implementierung unterstützt die Firma Takeda Pharma.

Die online-basierte „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“ vermittelt dem Patienten über Videosequenzen mit einem betreuenden Arzt (Schauspieler) die relevanten Informationen zu seiner Erkrankung und möglichen Therapieformen. Durch Eingaben des Patienten fließen klinische Parameter in die Details der angebotenen Information ein. Beispielsweise kann die automatische Zuordnung zu einer Risikogruppe bestimmte Therapieverfahren ausschließen. Anschließend bewertet der Patient die möglichen Nebenwirkungen sowie die Vor- und Nachteile der einzelnen Therapieoptionen. Zum Schluss kann der Patient die gemachten Angaben als Zusammenfassung auszudrucken und in das folgende Gespräch zu seinem betreuenden Urologen mitnehmen. Insgesamt überblickt der Patient damit die Folgen der einzelnen Therapieentscheidungen besser und kann so im Gespräch mit seinem behandelnden Arzt eine informierte Entscheidung treffen. Zugleich profitiert der Urologe von einer standardisierten Zusammenfassung aller relevanten Daten. So liegen neben den Einschätzungen des Patienten zu den einzelnen Behandlungsmöglichkeiten auch valide Angaben zur erektilen Funktion, zu Miktionsstörungen, zur psychischen Belastung sowie zur Comorbidität und statistischen Lebenserwartung vor.

Die Effekte der „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“ sollen im Rahmen einer prospektiven randomisierten kontrollierten Studie gemessen werden. Die Randomisierung erfolgt in zwei Gruppen: Die Entscheidungshilfe (Interventionsgruppe) wird hierbei mit dem aktuellen Patientenratgeber zur S3-Leitlinie Prostatakarzinom (Kontrollgruppe) verglichen. Endpunkte sind Entscheidungskonflikte, Informiertheit, psychische Belastung, Therapiewahl und die Zufriedenheit mit der eigenen Entscheidung. Um auch längerfristige Effekte erfassen zu können sind Follow-up Datenerhebungen nach 4 Wochen und etwa 1 Jahr nach der Behandlung vorgesehen. Die Rekrutierung erfolgt über urologische Praxen und Kliniken, wobei hier der organisatorische Aufwand so gering wie möglich gehalten werden soll. Nach Abschluss der randomisierten Studie soll eine einarmige Anwendungsbeobachtung den Einsatz der Entscheidungshilfe weiter prospektiv dokumentieren. Bei guter Akzeptanz kann aus den gewonnen Daten zusätzlich eine sehr wertvolle Versorgungsforschungsstudie entstehen. In erster Linie sollen jedoch Patienten und Urologen von dem Angebot profitieren.

Der Einsatz der Entscheidungshilfe wird voraussichtlich im Juni 2016 beginnen.